ZEICHEN UNSERER ZEIT: Protest
kostenlose Präsenzveranstaltung
Mo., 13.02. - Mi., 15.02.2023 im Bildungsforum Potsdam, Wissenschaftsetage, Raum 4.24a & 4.24b
Do., 16.02.2023 in der Universität Potsdam | Campus Am Neuen Palais, Haus 9, Raum 1.09.1.02 & 1.09.2.03
Protestieren für …,
beweisen, dass …
und bewegen.
Kreative und gelebte Formen prospektiven Protests.
Ziel der 4. Internationalen Woche der Semiotik ist es, das Konzept des Protests in diesem Sinne zu erweitern und neu zu definieren. Wir wollen Protest nicht nur als kollektiv erstrebten Umsturz betrachten, sondern auch als punktuelle Setzung einzelner, sich im symbolischen ‚Abseits‘ gesellschaftlicher Zusammenhänge vernetzender Subjekte. Auf diese Weise kann Protest einerseits als Seismograph für Konflikte, andererseits aber auch für Potentialitäten und bereits praktizierte Alternativen beleuchtet werden.
Programmübersicht
MONTAG 13.02. BILDUNGSFORUM
VORMITTAG Archäologie des Protests
09:30 ERÖFFNUNG durch Barbara Höhle.
09:45 VORSTELLUNG der Lernplattform
10:00 – 10:30 EINFÜHRUNG IN DIE THEMATIK, Eva Kimminich: Macht der Zeichen und der Stimme.
10:30 – 11:00 PAUSE
11:00 – 12:30 DISKUSSIONSRUNDE: Archäologie des Protests: Protestieren gestern und heute – Es diskutieren:
Ursula Löbel (OMAS GEGEN RECHTS Potsdam)
Linus Steinmetz (Fridays for Future)
Eva Kimminich (Kultursemiotikerin)
Moderatorin: Marie Schröer
12:30 – 14:00 MITTAGSPAUSE
NACHMITTAG
14:00 – 15:30 WORKSHOP, (An)Zeichen des Protests – eine Spurensuche: mit Studierenden
15:30 – 16:00 PAUSE
Ab 16:00 VERABSCHIEDUNG der Lehrstuhlinhaberin für Kulturen romanischer Länder und der Gründerin des Zentrum[s] für Kultursemiotik, Eva Kimminich durch:
Daniel Jacob, Jan Oliver Decker, Franciscu Sedda, Thomas Stehl, Hans-Georg Wolf, Dagmar Altenhöner, Mara Persello, Josefina Trittel
Mit der Initiierung des Studienganges „(Internationale) angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik“ im Jahr 2017 ist es Eva Kimminich gelungen, die Kultursemiotik institutionell in der (Potsdamer) Universitätslandschaft zu verankern. Mit der Gründung des Zentrums für Kultursemiotik werden kultursemiotische und -wissenschaftliche Inhalte der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wir wollen uns mit einer kleinen Feierstunde für Ihren unermüdlichen Einsatz und ihr Engagement bedanken.
17:30 AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG: Alexander Lauschke und Studierende.
18:00 KURZVORSTELLUNG des: Magazins HeckMag.
Ca. 18:30 CATERING
DIENSTAG 14.02. BILDUNGSFORUM
VORMITTAG Spuren des Protests – Kreativität und (Zer)Störung
9:00 – 10:00 VORTRAG, Franciscu Sedda: Contemporary Iconoclasm. Protest, Communication, Semiotics.
10:00 – 10:30 Pause
10:30 – 11:30 VORTRAG, Mara Persello: Voi pulite, noi sporchiamo': Frustration, Ironie und Zynismus auf den Wänden von Bologna.
11:30 – 12:30 VORTRAG, Tobias Mönch: Das Wilde im Bilde – Graffiti als Reproduktion des Widerstands
12:30 – 13:30 MITTAGSPAUSE
NACHMITTAG
13:30 – 14:15 VORTRAG, Orestis Pangalos: Political aspects and the signifiers of protest in graffiti culture
14:15 – 14:30 PAUSE
14:30 – 16:45 WORKSHOP, Protest: Intention und Rezeption. Betrachtung der Arbeiten von Guillaume Cayrac & Malte Nickau
MITTWOCH 15.02. BILDUNGSFORUM
VORMITTAG Vielfalt und Formen des Protests
09:00 – 09:30 VORSTELLUNG MASTERARBEIT, Pauline Kling: Kunst und Protest – Widerständige Subjektivierung durch ästhetische Erfahrungen
10.30 VORTRAG, Jan Oliver Decker: Populärkultur und Protest.
10:30 – 11:00 PAUSE
11:00 – 12:00 VORTRAG, Brigitte Obermayr: Zwischen Intervention und Unsichtbarkeit. Russische und ukrainische Zeichen gegen den Krieg.
12:00 – 13:00 MITTAGSPAUSE
NACHMITTAG
13:00 – 13:30 VORTRAG, Josefina Trittel: Körper und Protest.
13:30 – 14:30 VORTRAG, Nina Frieß: Protest und Poesie in Kasachstan.
14:30 – 15:30 VORTRAG, Thomas Stehl: Der Protest der sprachlichen
Minderheiten...damals. Und nun?
DONNERSTAG 16.02. UNIVERSITÄT POTSDAM, Campus Am Neuen Palais
VORMITTAG Sprache und Literatur des Protests (Raum 1.09.1.02)
09:00 – 09:45 VORTRAG, Gregor Schuhen: Zwischen Ich-Fixierung und sozialem Engagement – Zeitgenössische Formen intellektuellen Protests aus Frankreich.
09:45 – 10:30 VORTRAG, Lars Henk: Von maßlosen Massen. Protest und Karneval in Émile Zolas "Germinal" (1885).
10:30 – 11.00 PAUSE
11.00 – 11.45 VORTRAG, Lea Sauer: Flexen – Gehen, Raumeinnehmen, Schreiben als Methoden der Stadtaneignung.
11:45 – 12:30 VORTRAG, Sabine Diao-Klaeger: Protestslogans aus dem Senegal, Burkina Faso, Guinea und Kongo – Worte und Bilder.
12:30 – 13:30 MITTAGSPAUSE
NACHMITTAG (Raum 1.09.2.03)
13:30 – 14:30 WORKSHOP, Nadja Hilse (Bonsai Lab): Die unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Protest in Marketing und Markenführung.
14:30 MATCHING mit: Kulturprojekte Berlin (Till Hurlin), Bonsai Lab (Nadja Hilse), Haus für Brandenburgisch-
Preußische Geschichte (Andrea Wieloch) u. a.
Widerstand, Revolte und Protestbewegungen durchziehen seit jeher unsere Geschichte, aber seit den 2000er Jahren haben sie sich vermehrt und auch verändert. Wir leben in einer Ära des Protests. So zeichnet sich das 21. Jahrhundert durch eine Zunahme an Widerstand, (auch mit Gewalt verbundenen) Demonstrationen und an bewaffneten Aufstände aus. Sie markieren Spannungen und Aggressionen, die sich durch autoritäre Herrschaft, die Kapitalisierung des Lebensalltags, dem mit Wirtschaftswachstum verbundenen Ressourcenverbrauch und die daraus erwachsende lokale wie globale soziale Ungleichheit verstärkt haben
Die Versprechungen der Demokratie und des Konsumkapitalismus erscheinen einesteils als erstrebenswerte Ziele, andernteils werden sie verstärkt hinterfragt und kritisiert. Beides ist mit einem sinkenden Vertrauen in den Staat und Respekt vor staatlichen Autoritäten und Institutionen sowie mit Kritik an der auf Wachstum setzenden Weltwirtschaft verbunden. Dabei werden aber nicht nur Aggression und Gewalt freigesetzt, sondern auch ein hohes Maß an Ideenreichtum, Einsatzbereitschaft und Selbstermächtigung.
Diese kreativ prospektive Dimension des Protests war schon in der Etymologie des Begriffs einst vorhanden. Das lateinische protestari wurde im Französischen protester im Sinne von verlautbaren, bejahen, Zeugnis ablegen, beweisenübersetzt. Bis Mitte des 17. Jahrhunderts blieb dieser Bedeutungshorizont erhalten und wurde erst dann durch den Zusatz contre (gegen) als ein negierendes Verb gebraucht, das die Opposition zu etwas zum Ausdruck brachte.
Im ursprünglichen Bedeutungskontext geht es also um die Kommunikation einer Idee oder die Überzeugung von etwas, das als Alternative zu etwas vermittelt, kreativ umgesetzt oder vorgelebt wird. Dabei tritt die Opposition zu etwas Bestehenden in den Hintergrund und wird durch symbolisches oder konkretes Handeln ersetzt.
Auf diese Bedeutung des sich für etwas anderes und mögliches einzusetzen, wollen wir uns konzentrieren. Als Kultursemiotiker*innen interessiert uns daran das symbolische Handeln und der Einsatz bzw. die Herstellung von Symbolen. Symbole und symbolisches Handeln sind - metaphorisch formuliert - der Blutkreislauf einer Gesellschaft. Sie halten sie zusammen, bringen die Mitglieder dazu, eine mehr oder weniger gemeinsam vereinbarte Lebenswirklichkeit zu erhalten. Wenn ein Teil der Gesellschaft diese Lebenswirklichkeit nicht teilt, können sich daraus Sub- und Protestkulturen abspalten die die Vermittlung der dominanten Wirklichkeitskonstruktion stören, indem sie die tragenden Symboliken unterminieren, umformulieren oder durch neue ersetzen. Protest ist daher auch als eine Praxis des Störens und Verstörens zu betrachten, durch die Missstände offengelegt, dominante Wirklichkeitsbilder und die damit verbundenen Verhaltensmuster konterkariert, aber auch alternative Lebens- und Vergemeinschaftungsformen erprobt und sichtbar gemacht werden.