Cooking with Paris – Das feministische Potenzial von Glitzer und Glamour

Foto von Anastasia Shuraeva











Popmusik untermalt die Nahaufnahmen eines US-amerikanischen Supermarktes. Zwischen Granola-Bars und Frühstücksflocken erscheint Paris Hilton, die ein pinkes Abendkleid und eine glitzernde Maske trägt. Vor sich schiebt sie einen noch leeren Einkaufswagen. Schließlich bleibt sie vor dem Frühstücksflockenregal stehen: Wind weht durch ihre Haare, die Musik wird lauter und beim Anblick der Müslisorte Lucky Charmes werden Paris’ Augen größer.

Schnitt. Musikwechsel.

Das Publikum sieht Paris und das gesamte Filmteam. Ton, Kamera und Wind sind auf sie gerichtet. In den folgenden Minuten beobachten wir Paris beim Einkaufen im Supermarkt. Offensichtlich overdressed und gespielt überfordert läuft sie zwischen den Regalen entlang. In der Gemüseabteilung fragt sie einen Mitarbeiter was Schnittlauch ist und wie man diesen zubereitet.

In den ersten Minuten von Cooking with Paris wird klar, diese Kochshow will unterhalten und das, laut Autorin Emeli Glaser, im Stil der 2000er Serie The Simple Life: „[D]ie verzogenen Gören Paris Hilton und Nicole Richie [machen] „normale“ Sachen mit „normalen“ Menschen.“[1] Cooking with Paris fokussiert sich auf Paris Hilton und ihre TV-Persona[2], ihre prominenten Gäste und die Gerichte, die nebenbei zubereitet werden. In der Serie geht Paris ganz normal im Abendkleid einkaufen und kocht ganz normale Gerichte – mit Strass-Handschuhen. Von Pommes bis zum traditionellen Truthahn ist alles mit dabei. Im Vordergrund stehen aber zu jederzeit Performance und Inszenierung. Eingebettet in Glitzer und Glamour verführt Paris uns in ihre Welt bzw. Küche und bietet uns eine alternative Form der sonst sehr männlich dominierten Welt der Kochsendungen. Ob in Cooking with Paris ein feministisches Potenzial liegt oder lediglich eine weitere Inszenierung vom Leben der Reichen und Schönen gezeichnet wird, soll im Folgenden genauer untersucht werden.

Kochshows und ihre männliche Tradition

Kochshows sind, wie viele prestigeträchtige Berufe, ein männerdominiertes Feld. Der Beruf eines Showkochs kann nicht mit dem einer Hausfrau in der Küche verglichen werden – wobei Prestige und Entlohnung natürlich nichts über die Kochkünste aussagen

Clemens Wilmenrod kochte und performte in den 1950er Jahren im Fernsehen in der ARD-Sendung Bitte in 10 Minuten zu Tisch!. Wilmenrod, der eigentlich Schauspieler war, vereinte die Zubereitung von schnellen Gerichten mit Unterhaltung.[3] Die Diskrepanz der vorherrschenden Geschlechterrollen wird am Beispiel von Kochsendungen besonders deutlich: Während der Koch mit Geld und Anerkennung entlohnt wird, erfreut sich die Hausfrau an ihrer gesättigten Familie. Zum Abendessen wurde das neuste Gericht aus einer Kochsendung serviert, welches zuvor durch den Starkoch gekonnt inszeniert und zubereitet wurde.

Auch wenn solche Bilder aus den 1950er Jahren heutzutage überholt erscheinen, steckt weiterhin Wahrheit in der Rollenverteilung. Kochen als Show ist größtenteils Männersache. „Diese Dominanz der männlichen Köche lässt sich durch das z. T. bis heute vorherrschende Klischee erklären, Männer seien die professionelleren Köche.“[4] Im Gegensatz zu diesem Klischee kochten  Frauen im Jahr 1965 über neun Stunden pro Woche, während Männer nur eine Stunde pro Woche in der Küche verbrachten.[5] Vorherrschende patriarchale Machtstrukturen sorgen dafür, dass Frauen zwar die Care-Arbeit leisten, wozu auch die Zubereitung von Mahlzeiten in der heimischen Küche gehört, jedoch nicht die Anerkennung bekommen, die Fernsehköche genießen. Ein kurzer Blick in das Angebot der Kochsendungen im deutschen Fernsehen genügt bereits, um die ungleiche Verteilung zu bemerken. Die mittlerweile abgesetzte Sendung Lafer! Lichter! Lecker! dient als ein Paradebeispiel der männlichen Tradition von Kochshows. Die beiden Köche Horst Lichter und Johann Lafer unterhielten ihr Publikum während sie gekonnt und mit viel Knowhow Mahlzeiten zubereiteten.

Aktuelle Sendungen wie Die Küchenschlacht, Grill den Henssler und The Taste konzentrieren sich zwar mittlerweile auf Kochduelle und nicht mehr auf einen Showkoch, der den Hausfrauen das neuste Rezept vorkocht, dennoch lassen sich auch hier Geschlechterklischees erkennen: Häufig sitzen in den Jurys der Kochduelle männliche Starköche und entscheiden über das Können der Kandidat*innen. Ein US-amerikanisches Beispiel der Kochduelle mit viel Spektakel und Drama, ist die Sendung Hell’s Kitchen mit Starkoch Gordon Ramsay. Bekannt ist Ramsay insbesondere für seinen rauen Ton und regelmäßige Wutausbrüche. Der Name der Sendung ist also Programm.

Wie viele mediale Unterhaltungsformate bedienen sich auch die aktuellen Kochsendungen an dem Konzept des Infotainments. Laut Silvia Schiller „[…] empfindet [der Rezipient] während einer Infotainment-Sendung, gleichzeitig unterhalten als auch informiert worden zu sein.“[6] Der Unterhaltungsfaktor zieht sich, wie auch die männliche Tradition, als prägnantes Merkmal einer Kochshow durch die Zeit. Bereits Wilmenrod bewies, dass mittelmäßige Kochkünste durch gelungene Inszenierung ausgeglichen werden können.[7] Eine Kochshow verpackt in Glitzer und Glamour könnte dementsprechend zumindest dem Unterhaltungsfaktor folgen. Jedoch steht nun, statt dem erfolgreichen weißen cis Mann mit Schürze, eine reiche weiße cis Frau mit schillernden Outfits in der Küche und versucht zu kochen. Die Tradition von Kochshows bedient sich zwar der Unterhaltung, trotzdem performen die meisten Showköche unter der Prämisse, dass sie wissen, was sie tun. Ob gespielt oder nicht ist vorerst unwichtig. Sowohl Wilmenrod als auch Lafer und Lichter inszenieren den Anschein von Professionalität. Selbst Ramsay, der bereits Kandidat*innen zum Weinen gebracht hat, genießt weiterhin seinen Status als kompetenter Starkoch. Paris Hilton hingegen spielt mit dem aufgesetztem Unwissen ihrer TV-Persona, beispielsweise wenn sie das Filmteam nach der Funktionsweise ihres Herds fragt. Inwiefern kann aber die Netflixserie einer Millionärs Erbin einen emanzipatorischen Beitrag in der männerdominierten Welt der Kochshows leisten?

Feministische Aneignungen der Küche

„I Rejected Cooking in the name of Feminism – Until I Had to Feed Myself“[8] Aurvi Sharma beschreibt in ihrem Artikel das komplizierte Verhältnis zum Kochen als junge Frau in einer patriarchalen Gesellschaft. Erst durch den Umzug in die eigenen vier Wände wurde der Autorin bewusst, dass die Fähigkeit zu Kochen mit Selbstständigkeit zusammenhängt und empowerned sein kann. Sie scheibt: „I had rejected cooking to assert my independence. But food for me was home itself.“[9] Sharma erzählt wie ihre Mutter, nach Sharmas Umzug, Familienrezepte mit ihr teilt und sie diese gemeinsam über Zoom kochen. Der (vermeintlich) feministische Akt, sich des Kochenlernens zu verweigern, bekommt im Kontext ihrer Familiengeschichte eine neue Bedeutung: „My mother reminded me how my village grandmothers had little power and it was the kitchen where they found respite.“[10]

Kochen und Feminismus haben eine gemeinsame Geschichte und Tradition. Feminist*innen der sogenannten zweiten Welle versuchten sich in den 1960er–1980er Jahren das Kochen im feministischen Sinne anzueignen. Hingegen den Behauptungen, dass Feminist*innen nicht kochen (können) sollten bildeten sich verschiedene Bewegungen, die den feministischen Kampf mit dem Zubereiten von Essen vereinten. Es wurden (queere) Kochbücher geschrieben, kollektiv gekocht und vegetarische Essgewohnheiten diskutiert. Eine neue feministische Art des Kochens sollte zu mehr Gleichberechtigung führen.[11] Zudem sollten durch das Schreiben und Veröffentlichen von Kochbüchern mit einfachen Rezepten auch cis Männer zum Kochen motiviert werden: „Feminists hoped that if men cooked more in the home, it would become a gender-neutral activity.“[12] Die einfachen Rezepte sollten jegliche Ausreden und Hürden vorbeugen; der Zugang zum Kochen sollte cis Männern so leicht wie möglich gemacht werden.

Während sich jedoch Showköche vor der Kamera für Steak-Gerichte und „Toast Hawaii“ feiern lassen, kocht auch heute zu Hause, im Privaten, weiterhin die Frau. Ohne Inszenierung, Filmteam oder öffentliche Anerkennung. Laut patriarchal geprägter Vorstellung sollen Frauen gute Köchinnen sein und viel Zeit in der heimischen Küche verbringen. Der feminist food club beschreibt auf seiner Webseite die Widersprüchlichkeit, welche mit dem professionellen Kochen für Frauen einhergeht:

Working in the male-dominated realm of professional food making has real consequences for the mental health, financial stability, and career possibilities of trans and cis women. Historically, however, the kitchen has been a place that women have been banished and chained to by men. This dichotomy is vital to acknowledge and understand the positioning of our group.[13]

Die beschriebene Dichotomie, die sich für Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft zwischen dem Zwang und der Leidenschaft zum Kochen offenbart, soll durch Communities wie den feminist food club beleuchtet und bekämpft werden. Ein berühmter feministischer Slogan aus der zweiten feministischen Welle lautete „Don’t Assume I Cook“[14]. Unabhängig von Können und Leidenschaft sollte ausgedrückt werden: „[W]omen were more than just kitchen accessories, but many feminists still liked to cook.“[15]

Der feminist food club thematisiert feministische Kämpfe rund um das Thema Essen, ermöglicht online Vernetzung sowiemonatliche offline Treffen und produziert einen Podcast namens Corona Crisis Talks. Durch die Covid-19-Pandemie scheint die offline Präsenz momentan eingestellt zu sein. Auf der Webseite finden sich dennoch Ressourcen für FLINTA*, die beruflich mit Essen und Kochen zu tun haben. In den Podcastfolgen der Corona Crisis Talks geht es häufig um den Umgang mit aktuellen Krisensituationen sowie alternativen Formen des Marketing und Unternehmensmanagements. Folgen wie How to set up delivery oder How to take care of your community in a crisis spiegeln das Bedürfnis nach Austausch und Gemeinschaft wider und folgen somit dem Konzept einer feministischen Community.[16] The Bloodroot Collective schrieb bereits: “Feminist food, in our case, is produced by a collective.“[17] Kochen im Kollektiv und gegenseitige Unterstützung sind schon lange Teil feministischer Praxis. Hinzu kommt heute die Übersetzung dieser Praxis in die Sozialen Medien.

Ein weiterer Ort, an dem Feminismus und Kochen bzw. Backen zusammenfinden, sind feministische Back-Accounts auf Instagram. Die Bäcker*innen von @thesweetfeminist und @commie_cakes postenauf ihren Accounts Fotos von Kuchen, Torten und Plätzchen mit feministischen Slogans (siehe Abb. 1-2).

Das Backen als stereotypische Tätigkeit von Frauen gilt, wird auf den Accounts nicht primär diskutiert. Durch Likes und Kommentare werden größtenteils Zuspruch für dieBackkünste und die darauf kunstvoll inszenierten politischen Botschaften ausgedrückt. Bunt und plakativ sprechen sich die Bäcker*innen für Themen wie Pro-Choice, Selbstliebe, die Relevanz von platonischen Freund*innenschaften und internalisierte Misogynie aus. Der Account @thesweetfeminist folgt bei der Kuchengestaltung meist einer Ästhetik, die in den letzten Jahren auch bei Bäcker*innen auf Pinterest beliebt ist und postet zudem private Inhalte. Eine Ästhetik, die nicht explizit feministisch konnotiert ist, wird so genutzt, um feministische Inhalte zugänglich zu machen.

Auf dem Account von @commie_cakes finden sich Torten zu aktuellen politischen Debatten innerhalb Deutschlands wie den rassistischen Attentaten in Hanau am 19.02.2020 oder einer Positionierung zur Impfpflicht. Laut der Instagram-Bio steht @commie_cakes für „Art, solidarity, fancy things and politics“[18]. Der Begriff „Feminist“ ist nicht hervorgehoben, jedoch gibt es inhaltlich eindeutige Überschneidungen zu intersektionalen feministischen Kämpfen. Die Torten von @commie_cakes werden auf Spendenbasis gebacken und verschenkt. Menschen, die mehr Geld spenden können, spenden für andere mit weniger finanziellen Ressourcen.

Die feministische Aneignung der Küche geschieht in den vorgestellten Accounts durch die Verbindung von Backen mit feministischen Slogans, dem damit verbundenen Online-Aktivismus und dem selbstbestimmten Handeln der Akteur*innen. In den Kommentaren und Postbeschreibungen lässt sich außerdem eine Gemeinschaft erkennen, die den Slogans größtenteils zustimmt  die Backkünste unterstützt und wertschätzt. Der Account @commie_cakes verbindet wie der Name vermuten lässt zudem sozialistische Werte mit dem Backen von feministischen Torten. Die Zubereitung und Weitergabe der Torten wird also mit feministischen Grundwerten vereint und revolutioniert.[19]

Schon in den 1960er–1980er Jahren sollte eine neue Form des Kochens den sozialen Wandel fördern: „Feminists brought their political ideas to the kitchen by encouraging men to cook, endorsing vegetarianism, starting food co-operatives, cooking collectively, and supporting women chefs.“[20] Die vorgestellten Instagram-Accounts können als Weiterführung dieser Ansätze gesehen werde. Ob Paris als privilegierte Person des öffentlichen Lebens mit ihrer Kochsendung diese feministische Tradition fortsetzt, soll im Folgenden diskutiert werden.

Cooking with Paris und Kim

In den sechs Folgen der ersten Staffel von Cooking With Paris werden von Paris verschiedene Gäste zum gemeinsamen Kochen eingeladen. Alle sechs Folgen verlaufen nach einem ähnlichen Schema: Zunächst wird Paris beim Einkaufen gezeigt – immer gestylt und in High Heels. Nach dem Einkauf geht es zurück in Paris’ Haus, wo bereits das Esszimmer, passend zum Motto des Gerichts, geschmückt und dekoriert wird. Das Planen und Dekorieren wird, für die Zuschauer*innen sichtbar, von Paris’ Assistent*innen übernommen und es werden dabei weder Mühen noch Kosten gespart. Paris geht derweil in ihre Küche und bereitet das Essen vor. Dabei darf ihr buntes, glitzerndes und selbstgemachtes Kochbuch nicht fehlen. Beim Kochen werden vereinzelt Kochtipps eingeblendet, die manchmal nützlich und häufig offensichtlich erscheinen, eigentlich aber gar nichts mit Kochen im klassischen Sinne zutun haben. Nach den ersten Vorbereitungen erscheinen die Gäste der jeweiligen Folge. Nach einer Begrüßung und Vorstellung geht es dann in die Küche. Gemeinsam wird nun nach den Rezepten in Paris’ Kochbuch – die Rezepte sind nicht von Paris selbst – ein Gericht zubereitet. Dabei kommt es immer mal wieder zu kleinen oder größeren Missgeschicken, am Ende steht jedoch immer ein perfekt inszeniertes Gericht auf dem Esstisch und beim Verkosten wird häufig in gemeinsamen Erinnerungen geschwelgt. Im Rahmen dieses Essays werde ich mich auf die erste Folge der Seriefokussieren und diese näher betrachten.

Die erste Folge „Breakfast in the Clouds“ zeigt Paris Hilton und Kim Kardashian bei ihrem Versuch ein Frühstück zu zubereiten. Auf dem Speiseplan stehen selbstgemachte Marshmallows, French Toasts mit Frosted Flakes und Frittatas. Nach dem Einkauf und den ersten Vorbereitungen begrüßt Paris ihren Gast:

Paris: „Hi gorgeous!“
Kim: „This is what you cook in?“
Paris: „Yes!“
Kim: „Looking amazing.“[21]

Kim, die selbst Jeans und Shirt trägt, spricht wohl das aus, was viele bereits bei Paris’ Look im Supermarkt gedacht haben. Aber Paris wäre nicht Paris, wenn sie nicht ihrer TV-Persona und damit auch ihren glamourösen Outfitstreu bleiben würde – zumindest vor der Kamera. Paris kann auch kochen (lernen), aber eben im Abendkleid und nicht mit Schürze. Paris Kochtipp der ersten Folge lautet: „Check recipe before choosing wardrobe.“[22] Paris reflektiert die Wahl ihres Outfits in allen sechs Folgen immer wieder selbst, stellt jedoch ihr Aussehen über Praktikabilität.

Zunächst bereiten die beiden Paris’ selbstgemachte, von Lucky Charmes Cereals inspirierte, Marshmallowszu, was sich als erster kleiner Misserfolg herausstellt. Um die klebrige Marshmallow-Masse mit Förmchen auszustechen, ziehen die beiden Puderzucker zur Hilfe heran. Als kleiner Kochtipp wird dabei eingeblendet: „Powdered sugar prevents sticking…Hopefully.“[23] Nach anfänglichen Schwierigkeiten werden die ausgestochenen Marshmallows von Paris mit einem pinken Flambierbrenner bearbeitet. „I think we just go like this. Assuming. Never done this. Stay back, I don’t wanna kill anyone.“[24] Paris flambiert die Marshmallows jedoch erfolgreich und ohne andere dabei zu verletzen.
Bei der Zubereitung der French Toasts gibt Paris offenkundig ihre Unwissenheit zu. Fehler oder kleine Eskapaden werden nicht rausgeschnitten, teilweise sind diese wohlmöglich inszeniert und gewollt. Im Verlauf der Show kommt es immer wieder zu Pannen. So hat Paris beispielsweise beim Regulieren der Temperatur der Herdplatte schließlich den Regler in der Hand (dieser ist natürlich in null Komma nichts wieder eingedreht). An anderer Stelle fragt Kim nach einer Zange („tongs“) – Paris scheint allerdings nicht zu wissen was eine Zange ist. Nach kurzer Beschreibung („It picks up things. Silver. Metal.“[25]) werden die beiden aber fündig. Kurz daraufhin erscheint ein weiterer Kochtipp mit einer Zange im Hintergrund: „These are tongs“.[26]
Wenn es darum geht die Gerichte zu beschreiben oder erklären verwendet Paris relativ einfache Sprache, den Kochprozess für Frittatas beschreibt sie wie folgt: „It’s like making an omelet, but it takes longer and it goes in the oven.“[27] Ihre Erklärungen können auch von Kindern oder Menschen ohne Kocherfahrung verstanden werden, was einerseitsfür Zugänglichkeit sorgt und andererseits ihre Performance als reiche und naive Blondine unterstreicht.
An diesen Beispielen wird deutlich, dass eine professionelle Kochperformance s in Cooking with Paris keine große Rolle spielt. Paris geht offen mit ihren begrenzten Kochfähigkeiten um und nutzt diese ebenfalls als Entertainment-Faktor. Durch das Zeigen der Missgeschicke und den humorvollen Umgang mit der Unwissenheit von Paris wird zudem ihre TV-Persona weiter manifestiert. Zusammen mit den Kochtipps und einfachen Erklärungen bedient sich die Sendung des Infotainments. Wie informativ und unterhaltsam die Show tatsächlich ist, kann individuell entschieden werden. Es steht allerdings fest, dass sich Cooking with Paris bekannter Kochshow-Methoden bedient und sich diese neu aneignet.

Im Intro jeder Folge betont Paris, dass sie ihr Repertoire an Gerichten erweitern möchte. Unteranderem, da sie plant Mutter zu werden. In der ersten Folge mit Kim unterhalten sich die beiden während des Kochens über Kinder und das Muttersein. Paris’ Motivation Kochen zu lernen, begründet sich demnach insbesondere in einem traditionellen und binären Rollenbild. Den zukünftigen Vater findet man bisher in keiner Folge ihrer Serie. In diesem Zusammenhang teilt Kim ein einfaches Pizzarezept mit Paris, was sie selbst mit ihren Kindern häufig kocht: „It’s so easy and so good and then you look like the best chef!“[28] Das gemeinsame Kochen unter Frauen hat auch in der Familie Kardashian Tradition. Kims Mutter hat ihr und ihren Schwestern das Kochen beigebracht, nachdem eine der Töchter ohne Kochkünste aufs College ging. Hier lassen sich traditionelle Werte, aber auch das Weitergeben und Erlernen selbstbestimmten Handelns erkennen. Dass die Kardashians wohl alle private Köch*innen haben und es fraglich ist, wie viel sie selbst kochen, sei nur am Rande erwähnt.

Nach dem Kochen fängt Kim an die Küche aufzuräumen. Widerwillig versucht Paris ihr dabei zu helfen. „Feels so grown-up, so responsible. Like a hot housewife.“[29] Paris romantisiert das lästige Putzen und stellt weiterhin Bezüge zwischen dem Kochen und traditionellen Dasein einer Hausfrau her. Oder eher gesagt einer „hot housewife“.
Schlussendlich nehmen die beiden Freundinnen an Paris’ Esstisch platz und verkosten zwischen Rosen und weißen Ballons ihr frisch zubereitetes Frühstück (siehe Abb. 3). „Can't believe we made this.“[30] Von sich selbst überrascht genießen Paris und Kim Marshmallows, French Toast und Frittatas während sie in gemeinsamen Erinnerungen an ihre Jugend schwelgen.

Hot Housewife vs. Feminist

Die erste Folge von Cooking with Paris ist ein guter Vorgeschmack auf die kommenden fünf. Unter den Gästen der nächsten Folgen befinden sich ebenfalls Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, mit denen Paris eine Verbindung hat. Jede dieser Personen genießt finanzielle Sicherheit und öffentliche Anerkennung. Mit ihren Gästen bewegt Paris sich in einem für sie gewohnten und privilegiertem Umfeld. Die Kocherfahrung scheint sich bei allen eher in Grenzen zu halten, was dem Entertainment-Faktor zu Gute kommt. Cooking with Paris zeigt die Reichen und Schönen bei einer alltäglichen Aufgabe wie dem Kochen und gibt somit die Illusion eines intimen Einblickes in ihre glamourösen Leben. Insbesondere durch Missgeschicke und inszenierte Amateurhaftigkeit sorgt Paris’ Kochshow für Unterhaltung und vermeintliche Nahbarkeit. Dabei ist es vorerst zweitrangig, dass die Zuschauenden, egal ob Hausfrau oder nicht, wohl nie die Lebensrealität einer Hotelerbin selbst spüren werden.

Auffällig ist, dass Paris keine Männer zu sich in die Küche eingeladen hat. Lediglich in Folge fünf nehmen zwei Freunde an der Verkostung des Truthahns teil, welcher von einem der Männer angeschnitten wird. Gekocht haben in dieser Folge jedoch nur Paris und Influencerin Lele Pons.

Politische oder feministische Themen werden in Cooking with Paris zwar nicht explizit angesprochen, sind aber auch nicht gänzlich abwesend In Folge zwei wird beispielsweise der Girlboss-Begriff aufgegriffen. Sängerin und Rapperin Saweetie spricht folgenden Toast aus: „So cheers to being rich, boss, bad, beautiful, smart intelligent-ass bitches, okay?“[31] Saweetie betont hiermit den sozialen und privilegierten Status der beiden und bedient sich nebenbei der positiven Aneignung des Begriffs „Bitches“. Diese Selbstbezeichnung kann im feministischen Kontext als empowerend verstanden werden und hat insbesondere in der Rap-Szene eine wichtige Bedeutung.[32] Nach dem Toast werden jedoch die Drinks zur Seite gestellt und es wird mit dem Kochen begonnen.
Hingegen mancher Vorannahmen, dass eine Kochshow von und mit Paris Hilton wenig mit Kochen selbst zu tun hat, verbringen Paris und ihre Gäste fast die Hälfte einer Folge mit dem Zubereiten der jeweiligen Gerichte (siehe Abb. 4) (diese Messungen beruhen auf eigener empirischer Erhebung). Unter die Kategorie des Kochens zählen in dieser Darstellungauch Missgeschicke oder das Suchen nach der Zange. Auch wenn diese Situationen teilweise keinen expliziten Kochvorgang zeigen, gehören diese in Cooking with Paris zum Kochprozess und vor allem zur Inszenierung dazu. Gespräche, die nicht direkt mit dem Kochen des jeweiligen Gerichts zu tun haben, finden zwischendurch, aber insbesondere während der Verkostung statt, die verhältnismäßig wenig Bildschirmzeit in Anspruch nimmt.

Cooking with Paris hebt sich eindeutig von der männlichen Tradition von Kochshows ab. Die Inszenierung von Wissen und Professionalität rückt gewollt vollständig in den Hintergrund. Der Relevanz einer guten Performance sind sich jedoch sowohl Wilmenrod als auch Hilton bewusst.

Mit ihrer Kochshow tritt Paris allerdings nicht in die Fußstampfen der Feminist*innen, die während der zweiten Welle Kochbücher schrieben und gegen das Patriarchat ankochten, da Cooking with Paris sich nicht dem aktiven Kampf gegen das Patriarchat verschreibt. Es lassen sich dennoch Parallelen zu Mustern ziehen, die auch in feministischen Kämpfen genutzt wurden: Paris lädt Freund*innen zu sich ein, Kochtipps werden ausgetauscht, es wird gemeinschaftlich gekocht und sich gegenseitig unterstützt. Dies geschieht jedoch alles im Rahmen der Marke Paris Hilton und in erster Linie für kommerzielle Unterhaltungszwecke. Während Paris als #girlboss durchgehen kann ist nicht gesagt, ob sie sich selbst überhaupt als Feministin sieht. Eine Frau in einer männerdominierten Branche entspricht nicht automatisch einem Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Hinzu kommt Paris’ Motivation Kochen zu lernen: Selbstbestimmtes Handeln, um dann die perfekte „hot housewife“ für ihren Mann und ihre Kinder sein zu können. Eine klassische und konservative Einstellung, die Feminist*innen der zweiten Welle wohl eher weniger zugesagt hätte. Mittlerweile bedeutet Feminismus jedoch vor allem, dass Frauen eine Chance haben (sollten) sich selbst aktiv für oder gegen etwas zu entscheiden. Somit besteht zumindest die Möglichkeit, dass Paris eine feminist hot Housewife werden kann.

Bimbofication as a feminist act?

Eine feministische Praxis, an welcher sich Cooking with Paris jedoch bedient, ist die sogenannte Bimbofication. Ein Phänomen von dem Paris’ TV-Persona schon seit den frühen 2000er Jahren geprägt ist und ein Begriff, den Paris selbst maßgeblich geprägt hat. „I am not a dumb blonde, I am just really good at pretending to be one.“[33]
Während der Begriff „Bimbo“[34] insbesondere vor 20 Jahren eine überwiegend negative Konnotation hatte, entwickelt er sich aktuell im feministischen Kontext zu einem kleinen Aufstand gegen das Patriarchat. „Bimbofication is the post-ironic response to larger issues of misogyny and sexism, empowering women to let the world think of them as stupid and vain.“[35] Das Selbstbestimmte Dasein als „Bimbo“ setzt jedoch Privilegien voraus und beruht meist auf eurozentrischen Schönheitsidealen. Des Weiteren bleibt es zu bezweifeln, inwiefern Paris das feministische Potenzial in ihrer TV-Performance erkannt hat und in diesem Sinne nutzt. Die erfolgreiche Vermarktung ihres „Bimbo“-Daseins lässt sich allerdings keineswegs bestreiten.

Paris HilstonsKochserie lässt sich wohl nicht mit den aktuellen feministischen Aneignungen der Küche vergleichen. Die vorgestellten Instagram-Accounts @thesweetfeminist und @commie_cakes nutzen ihre Plattform explizit für feministische Inhalte, während Cooking with Paris genau das ist, was der Titel verspricht: Eine Kochshow mit Paris Hilton.

Matthias Buck formuliert die Notwendigkeit für neue Formen von Kochshows, die Moderne fordere nach „Innovation und Flexibilität“[36]. An diese Idee schließen sich auch Pressestimmen, die Cooking with Paris rezensiert haben an. Die Serie von Paris mache deutlich, was „andere Kochshows oft ausblenden: die massive Unlust, am Herd mehr zu tun, als träge in einer Pfanne herumzustochern. Und das ist wunderbar.“[37] Autorin Emeli Glaser spricht sich ebenfalls für eine Kochsendung ohne „speziellen Sinn oder Anspruch“[38] aus: „Was spricht dagegen, sein von Lohnarbeit und Existenzängsten geplagtes Hirn für eine halbe Stunde mit essbarem Einhorn-Glitzer füllen zu lassen.“[39]
Cooking with Paris als feministische Antwort auf die männlich dominierte Branche der Kochshows zu lesen wäre wohl etwas vermessen. Allerdings entspricht dies auch nicht dem Anspruch der Show und manchmal dürfen (Koch)serien lediglich zur Unterhaltung konsumiert werden. Mich persönlich hat Paris Art zu Kochen eher angesprochen, als die von Lafer und Lichter – die French Toasts mit Frosted Flakes kann ich jedenfalls empfehlen.

 

[1] Glaser, Emeli; Vergoldete Zwiebelringe; https://taz.de/Cooking-with-Paris-auf-Netflix/!5786813/; 10.03.2022.

[2] Variety; Paris Hilton Rebrands Her Media Persona With 'This is Paris' Documentary; https://www.youtube.com/watch?v=9r-kLasOzw4; (00:00 - 00:08); 02.03.2022.

[3] Vgl. Buck, Matthias; Ritual und Drama der Fernsehköche; in: Kathrin Fahlenbach, Ingrid Brück, Anne Bartsch (Hg.), Medienrituale. Rituelle Performanz in Film, Fernsehen, und Neue Medien; Wiesbaden; 2008; S. 126.

[4] Schiller, Silvia; Küchen, Kochen, Köche – Inszenierungsstrategien in Kochshows; Wien; 2013; S. 11.

[5] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; in: Contexts 13.3; 2014; S. 60.

[6] Schiller, Silvia; Küchen, Kochen, Köche – Inszenierungsstrategien in Kochshows; Wien; 2013; S. 35.

[7] Vgl. Buck, Matthias; Ritual und Drama der Fernsehköche; S. 126.

[8] Sharma, Auvri; I Rejected Cooking in the Name of Feminism—Until I Had to Feed Myself; https://www.bonappetit.com/story/rejected-cooking-for-feminism; 04.03.2022.

[9] Sharma, Auvri; I Rejected Cooking in the Name of Feminism—Until I Had to Feed Myself; https://www.bonappetit.com/story/rejected-cooking-for-feminism; 04.03.2022.

[10] Sharma, Auvri; I Rejected Cooking in the Name of Feminism—Until I Had to Feed Myself; https://www.bonappetit.com/story/rejected-cooking-for-feminism; 04.03.2022.

[11] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 59-60.

[12] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 60.

[13] Mary Scherpe; Feminist Food Club; https://www.feministfoodclub.com; 02.03.2022.

[14] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 59.

[15] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 59.

[16] Vgl. Mary Scherpe; Feminist Food Club; https://www.feministfoodclub.com; 02.03.2022.

[17] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 61.

[18] @commie_cakes; https://www.instagram.com/commie_cakes/; 05.03.2022.

[19] Vgl. Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 59-60.

[20] Williams, Stacy J; A feminist guide to cooking; S. 59-60.

[21] Hilton, Paris; Saidman, Aaron; Holzman, Eli; Hertz, Rebecca (Produzierende); (2021); Cooking with Paris [Serie]; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:06:50).

[22] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:15:53).

[23] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:10:05).

[24] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:11:02).

[25] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:17:02).

[26] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:17:32).

[27] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:14:50).

[28] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:08:50).

[29] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:20:44).

[30] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Breakfast in the Clouds (00:22:12).

[31] Hilton, Paris; Cooking with Paris; Netflix; Taco Night; (00:08:13).

[32] Vgl. EDITION F studio; Lady Bitch Ray über Diskriminierung im Hip-Hop, in der Wissenschaft und das „Crashen der Elfenbeinschwanzstruktur; https://editionf.com/lady-bitch-ray-ueber-diskriminierung-im-hip-hop-in-der-wissenschaft-und-das-crashen-der-elfenbeinschwanzstruktur/; 17.03.2022.

[33] Variety; Paris Hilton Rebrands Her Media Persona With 'This is Paris' Documentary; https://www.youtube.com/watch?v=9r-kLasOzw4; (05:52 - 05:56); 02.03.2022.

[34] Im Kontext dieser Arbeit wird der Begriff „Bimbo“ mit der Bedeutung aus dem Englischen verwendet:
„a young woman considered to be attractive but not intelligent.“ Cambridge Dictionary; https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/bimbo?q=Bimbo; 27.03.2022.

[35] Starkle, Martha; Bimbofication is a revolutionary act; https://www.michigandaily.com/statement/bimbofication-is-a-revolutionary-act/; 16.03.2022.

[36] Buck, Matthias; Ritual und Drama der Fernsehköche; S. 135.

[37] Müller, Dennis; Klotzen statt kleckern; https://www.sueddeutsche.de/medien/paris-hilton-kochshow-netflix-1.5372058; 17.03.2022.

[38] Glaser; Emeli; Vergoldete Zwiebelringe; https://taz.de/Cooking-with-Paris-auf-Netflix/!5786813/; 10.03.2022.

[39] Glaser; Emeli; Vergoldete Zwiebelringe; https://taz.de/Cooking-with-Paris-auf-Netflix/!5786813/; 10.03.2022.

 

 

Zurück