Essen und Geschlecht – „Doing Gender“ in der Essenspraxis

 

Einleitung

Die Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Wenn wir essen, tun wir dies nicht nur um unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen – wir positionieren uns auch innerhalb der Gesellschaft, drücken unsere Identität aus, kommunizieren die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder grenzen uns ab. Gleichzeitig wird unser Essverhalten von vielen kulturellen Faktoren beeinflusst. Bestimmten Rollenbilder, Körpernormen oder die Werbung, haben großen Einfluss auf das, was wir essen und wie wir es tun. So sind viele Lebensmittel undErnährungspraktiken auch heute noch oft mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen verbunden. Man denke an Werbespots für Grillfleisch, Burger oder scharfe Saucen, welche immer noch oft männliche Protagonisten in den Mittelpunkt stellen1 oder an Werbespots für süße Desserts, welche vermehrt Frauen ins Zentrum ihrer Geschichte rücken2. In manchen Kreisen scheinen selbst die „Werkzeuge“ zur Einnahme von Speisen und Getränken Geschlechtszuschreibungen zu erfahren, wie dieser kurze, dokumentierte Dialog auf dem Instagram-Kanal „Overheardla“3 zeigt:

Customer: “I want a frozen margarita, but put it in a masculine glass”
Bartender: “This is 2021, sir. All glasses are gender neutral” (overheardla)

Auch wenn sich in vielen Bereichen der Gesellschaft mittlerweile mehr Gendersensibilität und eine kritischere Haltung gegenüber traditionellen Geschlechter- und Rollenklischees etabliert haben, sind Geschlechterklischees und binäre Rollenbilder immer noch weit verbreitet in unserer heutigen Kultur – auch in der Essenspraxis4. Studien, die die Ernährungsweisen von Männern und Frauen untersucht haben, machen deutlich, dass sich die Vorlieben für bestimmte Lebensmittel auch heute noch geschlechtsspezifisch unterscheiden: So ist Fleisch vor allem bei Männern5 deutlich beliebter, während Frauenscheinbar eine gesündere Ernährung bevorzugen und mehr Obst und Gemüse zu sich nehmen. AuchErnährungsweisen wie Vegetarismus oder Veganismus zeigen offensichtliche Unterschiede in der Geschlechterverteilung: So entscheiden sich beispielsweise mehrheitlich Frauen dazu, vegetarisch (Statista, 2021) oder vegan (Handelsdaten, 2021) zu leben.

In der vorliegenden Arbeit soll betrachtet werden, wie die Unterschiede in der Ernährungspraxis zwischen denGeschlechtern entstehen und reproduziert werden. Dabei soll geklärt werden, auf welche Weise die Ernährungsweisen und Esspraktiken in unserer heutigen westlichen Kultur vergeschlechtlicht werden und inwiefern über die Ernährung Geschlechtsdistinktionen ausgedrückt werden. Anhand des Theorieansatzes des „Doing Genders“, soll betrachtet werden, wie sich die Darstellung von Geschlechtsidentitäten bei der Auswahl von Nahrungsmitteln, beim Verhalten in der Küche und am Tisch ausdrücken. In diesem Zusammenhang soll auch auf den Einfluss bestehender, genderbedingter Machtstrukturen, Körperbilder und -ideale eingegangen werden. ZumAbschluss soll der aktuelle Stand der genderspezifischen Ernährung in der westlichen Gesellschaft näher beleuchtet– und dabei explizit auf Trends, Bewegungen und Gegenbewegungen eingegangen werden. Zunächst wird dieProblematik der geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Ernährung anhand von aktuellen Studien verdeutlicht.

Unterschiede in der Ernährungspraxis der Geschlechter

In verschiedenen Ernährungsstudien werden immer wieder starke Unterschiede in den Lebensmittelpräferenzen und Ernährungspraktiken zwischen den Geschlechtern deutlich. Aus ernährungsbiologischer Sicht wird grundsätzlich argumentiert, dass Differenzen in der Ernährung der unterschiedlichen Geschlechter legitim sind, da sich der Körperbau von Männern und Frauen unterscheidet. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht greift dieser Ansatz jedoch zu kurz: So wird argumentiert, dass die kulturellen Rahmenbedingungen, unter denen sich die biologische Betrachtungsweise geformt habe, unzureichend berücksichtigt werden. In verschiedenen Studien werden zudem Unterschiede in den geschlechtsspezifischen Lebensmittelpräferenzen deutlich, die nicht allein mit dem Energiebedarf des Körpers zu erklären sind, wie in den folgenden Studien bspw. anhand des Konsums von Alkohol deutlich wird.

So zeigt die im Jahr 2008 veröffentlichte „Nationale Verzehrsstudie II“, dass Männer ein 4-Faches mehr an Alkoholtrinken als Frauen (Max Rubner-Institut. S. XXIII). Besonders große Differenzen gibt es auch im Verzehr von Fleisch, Wurstwaren und Fleischerzeugnissen: So essen Männer mit täglich 160 Gramm, fast doppelt so viel Fleisch wie Frauen, die lediglich 83 Gramm pro Tag zu sich nehmen (Max Rubner-Institut, 2008, S. XXI). Ergänzend dazu, zeigt der 12. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (dge), aus dem Jahr 2012, dass Männer mehr „Zucker, Süßwaren, Kuchen, Torten und Gebäck sowie Fruchtsäfte und Nektar“ (dge,2014) verzehren, ebenso wie „mehr Brot, Getreide, Getreideerzeugnisse, wie Reis, Nudeln oder Cerealien sowie Knabberartikel“ (ebd., 2014). In einer Pressemitteilung der dge, aus dem Jahr 2014, ist zu lesen, dass Frauen zudem mehr Obst essen als Männer (182 g pro Tag im Vergleich zu 143 g) (ebd., 2014).

Fast zehn Jahre später zeigen aktuelle Studien ein ähnliches Bild: Die Nestlé Ernährungsstudie „So is(s)t Deutschland“ aus dem Jahr 2019 stellt fest, dass eine gesunde Ernährung für Frauen eine größere Rolle spielt als für Männer: So gaben 72 % der befragten Frauen an, dass eine „gute Ernährung“ für sie wichtig sei (Nestlé, 2019). Im Vergleich stimmten dem 58 % der Männer zu (ebd.). Bei der Bewertung von Obst und Gemüse gaben 48 % der befragten Frauen an, dass dieses für sie ein wichtiger Bestandteil der Ernährung sei. Im Vergleich gaben dies nur 27 % der Männer an (ebd.). Auch eine vom bayrischen Ernährungsministerium in Auftrag gegebene Studie, die im Jahr 2021 veröffentlicht wurde, bekräftigt die These, dass Frauen mehr Ost und Gemüse essen – Männer hingegen mehr Wurst, Fleisch oder Fertiggerichte wie bspw. Pizza (Schneider, 2021).

Welche Gründe gibt es für diese geschlechtsspezifischen Ernährungsunterschiede? Der Theorieansatz des „Doing Gender“ macht deutlich, dass die Ernährungspraxis ein wichtiger Bestandteil der Konstruktion und Darstellung von Geschlechtsidentitäten ist. Welche Rolle die Auswahl von Lebensmitteln sowie das Essverhalten für die Darstellung von Geschlecht spielt, soll in den nächsten Abschnitten geklärt werden.

1. Essen als „Doing Gender“?

Die Ernährungspraktiken in unserer Gesellschaft werden in verschiedenen kulturwissenschaftlichen und kultursoziologischen Arbeiten thematisiert. Dabei stimmen die Quellen darin überein, dass unser Essverhalten in großem Maße von unserem sozialen Umfeld geprägt wird und die Prozesse der Auswahl, Zubereitung und Einnahme von Nahrung sowie das Verhältnis von Ernährung und Körper kulturell bedingt sind. Monika Setzwein und Hans-Werner Prahl schreiben in ihrem Buch „Soziologie der Ernährung“ (Setzwein & Prahl, 1999), dass die Unterschiede im Ernährungsverhalten der Geschlechter „vor dem Hintergrund sozial codierter Körperbilder“ (ebd., S. 79) „als eine aktive Form der Konstruktion geschlechtlicher Identität” (ebd.) verstanden werden können. Dieser Vorgang kann, laut Setzweinund Prahl, der Theorie des „Doing Gender“ zugeordnet werden (ebd.). Der Begriff des “Doing Gender” entstammt der interaktionistischen Geschlechterforschung und wurde im Jahr 1987 in einem Aufsatz von Candace West und DonZimmerman eingeführt (West & Zimmerman, 1987). Die Autor*innen definieren „Doing Gender“ als eine:

„[…] gebündelte Vielfalt sozial gesteuerter Tätigkeiten auf der Ebene der Wahrnehmung, der Interaktion und der Alltagspolitik,welche bestimmte Handlungen mit der Bedeutung versehen, Ausdruck weiblicher oder männlicher ‚Natur‘ zu sein“(Gildemeister, 2019, S. 411 nach: West und Zimmerman, 1987, S. 14)

In diesem Zusammenhang wird das Geschlecht nicht als gegebene Eigenschaft des Individuums verstanden, sondern als soziale Konstruktion, welche innerhalb von Interaktionsprozessen hervorgebracht und reproduziert wird. Die Soziologin Regine Gildemeister macht deutlich, dass die Geschlechtsunterschiede innerhalb von sozialen Interaktionsprozessen hergestellt, reproduziert und in der Gesellschaft verfestigt werden (Gildemeister, 2019, S. 410). Die Handlungen, in denen Geschlechtsidentitäten konstruiert und hervorgebracht werden, werden von den Individuen nicht bewusst angewandt, sondern unbewusst aufgegriffen (Gildemeister, 2019, S. 411) und „dem eigenen Tun dann wieder zugrunde gelegt“ (ebd.). In Situationen, in denen Personen miteinander interagieren, sich gegenseitig wahrnehmen und aufeinander reagieren, entsteht eine prozesshafte Hervorbringung sozialer Wirklichkeit. In dieser entstehen wiederum Ordnungsstrukturen und Zwänge, die Einfluss auf die „kategoriale und individualisierende Identifikation“ (ebd.) der Individuen haben, zum Beispiel auf die Geschlechtsidentität.

Ein ähnliches Konzept wird auch von Judith Butlers Theorie der performativen Hervorbringung des Geschlechts aufgegriffen: Laut Butler haben sich die Geschlechtskategorien „männlich“ und „weiblich“ über die Jahre hinweg durch sich wiederholende performative Praktiken manifestiert (Butler, 2009, S.22). Der Begriff der „Performativität“ entstammt ursprünglich John L. Austins Sprechakttheorie und besagt, dass bestimmte Aussagen nicht nur der Beschreibung von Sachverhalten dienen, sondern zugleich eine wirklichkeitskonstruierende Funktion haben. Aussagen wie „Ich taufe dich auf den Namen…“ stellen somit nicht nur eine Beschreibung der Handlung dar, sondern auch einen aktiven Handlungsvollzug, welcher durch das Sprechen seine Wirkung entfaltet (Wald, 2009, S. 173). Laut Butler findet bei der Geburt eines Kindes (oder bereits vorher, beim Ansehen des Ultraschallbildes) mit dem Ausruf „Es ist ein Mädchen!“ oder „Es ist ein Junge!“ aktiv eine Zuschreibung der Geschlechtsidentität statt, die das geborene Kind in eine Kategorie der Matrix der Zweigeschlechtlichkeit eingeordnet und das Kind zum Mädchen oder zum Jungen „macht“ (Butler, 2009, S.29). Das Weiblich- bzw. Männlich-Werden wird anschließend durch eine ständige, zitatförmige Wiederholung der Praktiken des Mann-Seins bzw. Frau-Seins fortgesetzt (Butler, 2009, S.22). In der Wiederholung dieser performativen Akte sieht Butler jedoch auch eine Chance für einen Handlungsspielraum des Subjekts: Indem die Praktiken nicht in genau derselben Weise wieder aufgeführt, sondern verändert werden, ist es möglich Verschiebungen zu produzieren und die langjährig manifestierten Muster des binären Systems zu durchbrechen (Butler, 2021, S. 206 f.).
Dass die Ernährung und der Umgang mit dem Essen wichtige Bestandteile des Prozesses der Geschlechterkonstruktion sind, kann in vielfältiger Hinsicht beobachtet werden. Im nächsten Abschnitt soll insbesondere die Auswahl der Lebensmittel und ihre Rolle für die Konstruktion und Darstellung von Geschlecht eingeordnet werden. Betrachtungen der Genderinszenierungen in der Küche und beim Essen in Gemeinschaft, geben ebenfalls interessante Einblicke über das Verhältnis zwischen Essen und Geschlecht, und sollen im Folgenden ergründet werden.

2. Ernährung als Prozess der Geschlechterkonstruktion

2.1. Die Wahl und Bedeutung der Lebensmittel

Wie sehr sich das Essverhalten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, konnte bereits in den zuvor aufgezählten Studien verdeutlicht werden. Die verschiedenen Ernährungspraktiken der Geschlechter sind laut Monika Setzwein und Hans-Werner Prahl wichtige Prozesse der Geschlechterkonstruktion, bei denen das Bevorzugen oder Meiden bestimmter Speisen dazu dienen kann, das eigene Geschlecht auszudrücken (Setzwein & Prahl, 1999, S. 79). Damit dies funktioniert, werden Lebensmittel codiert, also mit geschlechtsspezifischen Bedeutungen aufgeladen und als Zeichen verwendet, mit denen die eigene Geschlechtszugehörigkeit kommuniziert und vom Gegenüber entziffert werden kann (ebd.). Als Beispiel nennen Setzwein und Prahl den Anstieg des Alkoholkonsums bei Jungen und die verstärkt auftretenden Diätenzahlen bei Mädchen während der Pubertät, die dazu dienen sollen sich als Jungen oder Mädchen darzustellen (ebd.). Monika Setzwein betont, dass hierbei Sexualisierungsprozesse greifen, bei denen z. B. Verhaltensweisen, Körpermerkmale und weitere Aspekte vergeschlechtlicht werden:

„Um die individuelle Geschlechtszugehörigkeit herzustellen, werden Objekte, soziale Räume, Körpermerkmale, Verhaltensweisen usw. vergeschlechtlicht, und indem diese Dinge oder Eigenschaften einem Geschlecht zugeschrieben werden, erhalten sie selbst ein Geschlecht, das seinerseits vergeschlechtlichend wirkt und somit zur Quelle von Geschlechtsdarstellungen gemacht werden kann.“ (Setzwein, 2004, S. 60)

In punkto Nahrung gelten leicht verdauliche, nachgiebige und weniger geschmacksintensive Lebensmittel oft als „weiblich“, während deftige, schwer verdauliche Speisen mit starken Geschmacksreizen den „männlichen“ Speisen zugeordnet werden (Setzwein, 2004, S. 64). Laut Setzwein sei auffällig, dass sich die „männlichen“ bzw. „weiblichen“ Lebensmittel gleichzeitig in „starke“ und „schwache“ Speisen einordnen lassen (ebd.). So gelten die geschmacksintensiven und energiereichen „männlichen“ Lebensmittel als „stark“6 – während die weiblich konnotierten Lebensmittel als „schwach“ gelten. Aus dieser kulturellen Deutung heraus wird ein Hierarchieverhältnis deutlich, welches die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern widerspiegelt und bestätigt (Setzwein, 2004, S.64 f.). Die Nahrung wird somit zu einer „Chiffre der Unterlegenheit oder Dominanz“ (Setzwein, 2004, S.65). Ob ein Lebensmittel „stark“ oder „schwach“ ist, entscheide sich nicht nur durch die Konsistenz und den Energiegehalt des Produktes, sondern auch durch den sozialen Status der Personen, die das Lebensmittel verzehren (ebd.). Laut Roland Barthes meiden Männer besonders jene Nahrungsmittel, denen ein Minderwertigkeitsgefühl anlastet (Setzwein & Prahl, 1999 nach: Barthes,1982, S. 71), da sie bevorzugt von „Personen mit niederem sozialen Status, also Frauen, Kindern und Alten“(Setzwein & Prahl, 1999, S. 79) konsumiert werden.

Dass die Ernährung für den Ausdruck der Geschlechtsidentität eine wichtige Rolle spielt, beschreibt auch der Soziologe Pierre Bourdieu in seinem Werk Die feinen Unterschiede (Bourdieu, 1982). Gerade für Männer aus denunteren Klassen könne, so Bourdieu, „die gesamte männliche Identität […] und […] Virilität“ (Bourdieu, 1982, S. 308) auf dem Spiel stehen, wenn die Wahl auf ein Lebensmittel falle, welches zur leichten Kost zählt. Anhand des Beispiels des Essens von Fisch erklärt Bourdieu, dass die Ablehnung gegenüber dieser Speise auf mehreren Gründen beruht: Einerseits gehöre Fisch zu den Lebensmitteln die „aus Gesundheitsgründen […] für Kinder und Kranke“ (ebd., S. 308) zubereitet werden – hier findet sich ein ähnliches Argument wie bei Roland Barthes: Der Status des Essens wird anhand des Status der Personen definiert, welche das Lebensmittel zu sich nehmen. Zudem schreibt Bourdieu, dass die vorsichtigere Essweise, aufgrund der Gräten, und der behutsamere Umgang mitder Speise während des Essens abschrecke, das Lebensmittel zu sich zu nehmen (ebd.). Denn die vorsichtige Art des Essens stehe der „männlichen“ Essweise entgegen „mit vollem Mund und mit kräftigen Biss“ (Bourdieu, 1982, S. 308) zu essen. Das maßvolle Essen „in kleinen Happen, durch sachtes Kauen mitdem Vordermund und Zungenspitze“ (ebd.) sei vielmehr den Frauen zuzuordnen „denen es geziemt wenig und ohne Appetit zu essen“ (ebd.).

Die Körperhaltung beim Essen sowie das Auftreten und das Verhalten am Tisch sind laut Bourdieu Teil von „klassifizierenden und klassifizierten Praxisformen“ (Bourdieu, 1982, S. 279), die zum Habitus einer Person gehören. Der Habitus kann dabei als Gesamtrepertoire kultureller Praktiken definiert werden, „das den Mitgliedern einer sozialen Einheit […] jeweils gemeinsam ist“ (Guttandin, 2020, S. 299). Bourdieu betont,dass der Habitus dem „Prinzip der Teilung in logische Klassen“ (Bourdieu, 1982, S. 279) folgt, welches wiederum „Produkt der Verinnerlichung der Teilung in soziale Klassen“ (ebd.) ist. Der Habitus dient damit also auch „der Unterscheidung (Distinktion) zwischen verschiedenen sozialen Einheiten und deren jeweiligenMitgliedern“ (Guttandin, 2020, S. 299). Monika Setzwein schreibt, dass der Habitus ein inkorporiertes Wissen überdie Formen der Geschlechtsdarstellungen umfasst, z. B. ein Gespür für die Angemessenheit von Verhaltensweisen und das Gefühl für die Grenze zwischen den Geschlechtern (Setzwein, 2004, S. 227). Bezogen auf die Ernährung sei, so Bourdieu, die „geschlechtsspezifische Teilung der Nahrung“ (Bourdieu, 1982, S. 309) von „beiden Geschlechtern“ (ebd.) gleichermaßen anerkannt. Dies führe dazu, dass Frauen und Männer ein unterschiedliches Essverhalten pflegen, welches sich nicht nur im Geschmack für bestimmte Speisen, sondern auch im Verhalten und Auftretenwiderspiegle (ebd.): So sei es gerade in den unteren Klassen üblich, dass dem Mann beim Essen besonders reichhaltige und „kräftige“ Nahrungsmittel gereicht werden (ebd.). Fleisch werde dabei als besonders nahrhaftes Lebensmittel aufgefasst, welches in besonderem Maße „Kraft, Stärke, Gesundheit und Blut“ (Bourdieu, 1982, S. 309) schenken soll.

Auch Monika Setzwein und Hans-Werner Prahl gehen auf die Bedeutung des Fleisches als besonders „männliches“ Lebensmittel ein. Die Autor*innen schreiben, dass Fleisch seit jeher mit Assoziationen von „Kraft, Stärke, Potenz und Macht“ (Setzwein & Prahl, 1999, S. 79) verknüpft sei. Die „Einverleibung tierischer Lebenskraft“ (ebd.) komme der Besiegung und Unterwerfung der Natur gleich. In seinem Buch „Fleisch: Symbol der Macht“ schreibt Nick Fiddes, dass das Verzehren von Muskelfleisch „anderer hochentwickelter Tiere“ (Fiddes, 2001,S. 15), die „überragende Macht“ (ebd.) des Menschen über die Natur ausdrücke. Zugleich stellt Fiddes dar, dass die Herrschaft des Mannes über die Natur, auch als Herrschaft des Mannes über die Frau gewertet werden kann:

„Die Tatsache, dass die Frau als Fleisch bezeichnet wird, kann als eine Aussage über ihre angeblich wildere gesellschaftliche Rolle und ihre Verfügbarkeit als eine natürliche Ressource der Männer verstanden werden.“ (Fiddes, 2001, S. 190)

Während die Männer zu den mächtigen, zivilisierten und kultivierten Geschöpfen der Gesellschaft zählen, wird Frauen eine gewisse Naturhaftigkeit unterstellt – die u. a. mit Eigenschaften wie Mangel an Vernunft, Zügellosigkeit oder Irrationalität einhergeht (Mütherich, 2015, S. 66 f.). Der naturhafte Status der Frau könne mit den niederen Status der Tiere gleichgesetzt werden – und die Frau damit zur „Ressource“ für die Männer werden (Fiddes, 2001, S.190). Beispielhaft nennt Fiddes Parallelen im Wortschatz des Jagd- bzw. Viehzucht-Jargon und in der sexistischen Sprache: So könne die Frau "geritten, gezähmt oder mit einem Stallknecht verheiratet werden“ (Fiddes, 2001, S.176) während der Mann zum „‚Viehmarkt“ oder „auf die Jagd“ geht, um dort „Fang“ zu machen oder nach „Freiwild“ (ebd. S. 177) Ausschau zu halten.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass bei der Wahl der Lebensmittel Sexualisierungsprozesse greifen, bei denen einzelne Nahrungsmittel vergeschlechtlicht und hochgradig mit geschlechtsspezifischen Bedeutungenaufgeladen werden. Diese Bedeutungen sind tief in unserer Gesellschaft verankert und haben unter anderem Einfluss auf unsere Lebensmittelpräferenzen. Die Auswahl von bestimmten Lebensmitteln kann auch als geschlechtskonstruierende Handlung verstanden werden, welche die Darstellung der eigenen Geschlechtsidentitätunterstützt.

2.2. Genderinszenierungen in der Küche und am Tisch

Die unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Praktiken, die bereits bei der Auswahl von Nahrungsmitteln deutlichwurden, können auch bei der Zubereitung des Essens in der Küche und beim gemeinsamen Essen am Tisch beobachtet werden. In ihrem Buch „Women, Food and Families“ (Charles & Kerr, 1988) analysieren Nickie Charles und Marion Kerr die Rolle des Geschlechts bei der Zubereitung einer Familienmahlzeit. Die Autorinnen beobachten,dass sich die Teilnahme des Mannes an der Familienmahlzeit direkt auf die Art des Essens und die Struktur der gemeinsamen Mahlzeit auswirke (Charles & Kerr, 1988, S. 23 f.). Die Anwesenheit des männlichen Partners rechtfertige beispielsweise die aufwendigere Zubereitung einer „richtigen Mahlzeit“7, welche sich nach den Vorlieben des Mannes richtet:

“The dominance of the father is recreated daily through the preparation of a proper meal which is usually eaten by all members of the family and in which the children have very little if any choice.” (Charles & Kerr, 1988, S. 24)

In Abwesenheit des Familienvaters könne hingegen vermehrt von der festgelegten Struktur der Familienmahlzeit abgewichen und öfter am Geschmack der Kinder orientiert gekocht werden (ebd.). Die Hierarchie innerhalb der Familie richte auf diese Weise zuerst nach den Vorlieben des Mannes, anschließend nach den Vorlieben der Kinder – während die Frau ihre Präferenzen zugunsten der Familie unterordnet (ebd.). Tanja Paulitz und Martin Winterschreiben, dass die Familienmahlzeit einer „Gesellschaftsordnung nach dem Modell des männlichen Ernährers und der für die Reproduktionsarbeit und […] für die Zubereitung des Essens zuständigen Hausfrau“ (Paulitz & Winter, 2019, S. 323) folgt. Die Erwerbsfähigkeit des Mannes, welche den Wohlstand der Familie sichert, rechtfertig dabei dessen Rolle als Familienoberhaupt (ebd.). Die Familienmahlzeit stehe für die „gelebte soziale Bindung und Stabilität der bürgerlichen Familie“ (ebd.) und „reaktualisiert darin die ihren Mitgliedern zugewiesenen Positionen in Hinblick auf den Erwerb, die Zubereitung und den Konsum von Nahrung “ (Paulitz & Winter, 2019, S. 323).

Praktiken der Geschlechtsdistinktion und des Doing Gender im Rahmen der Ernährung können auch beim Essverhalten von Kindern beobachtet werden. Die Pädagoginnen Lotte Rose und Rhea Seehaus analysieren in ihrer Studie „Doing Gender und Doing Diversity with Food“ (Rose & Seehaus, 2016) geschlechtsspezifische Handlungspraktiken von Schulkindern im Rahmen des Schulessens. Die Autorinnen beobachten, dass Jungen und Mädchen unterschiedliche Verhaltensweisen und Umgangsformen während des gemeinsamen Essens in der Schulezeigen. Die Jungen zeigten demnach verstärkt einen spielerischen und hemmungsloseren Umgang mit dem Essen,schlangen ihre Portionen öfter hastig herunter (Rose & Seehaus, 2016, S. 179), missachteten vermehrt die „Regeln des gesitteten Essens“ (ebd.) und profilierten sich mit Konventionsbrüchen, beispielsweise indem sie fantasievoll die einzelnen Nahrungsmittel mit Ekelbildern verglichen (ebd.). So betitelten sie Nudeln bspw. als „Würmer“, Fleisch als„Kacke“ oder Trinkwasser als „Abwasser“ (ebd.). Gleichzeitig konnte bei den Jungen auch festgestellt werden, dass diese größere Portionen zu sich nahmen, verstärkt Nachschlag einforderten und teilweise auch für ihre übermäßige Nahrungsaufnahme gemaßregelt werden mussten (ebd., S. 181). Im Gegensatz dazu fielen die Mädchen vermehrt durch ihr zurückhaltendes Essverhalten auf (ebd.). Die Autorinnen beobachteten, wie sich zwei Mädchen eine Essensportion teilten. Das Teilen derselben Speise sei dabei mit einer engen körperlichen Nähe verbunden gewesen: So rückten die Mädchen eng zusammen, während sie gemeinsam von einem Teller aßen (ebd., S. 182).Die körperliche Nähe und das Teilen des Essens folge dem Muster einer „familialen, intimen Beziehung“ (ebd.) und zeige starke Parallelen zum „Paradigma weiblicher Bedürfnislosigkeit“ (ebd.). Darüber hinaus beobachteten die Autorinnen, dass insbesondere einige Mädchen die Rolle der „sozialen Wächterin“ (ebd.) einnahmen und andereGleichaltrige maßregelten, wenn diese die institutionellen Regeln missachteten. Nicht zuletzt beobachten die Autorinnen auch ein „institutionelles Doing Gender in der Verpflegungssituation“ (ebd., S. 183) und verweisen auf den Hauptanteil an Frauen, die im Rahmen des Schulessens als Betreuungskräfte, in der Küche oder an der Ausgabetheke für die Betreuung der Kinder zuständig sind.

3. Essen und Körper

Auf das Essverhalten der Geschlechter haben auch vorherrschende Körperbilder und Körpernormen großen Einfluss. Dabei werden die verschiedenen Geschlechter mit unterschiedlichen körperästhetischen Ansprüchenkonfrontiert. Geschlechtsspezifische Körperideale werden heutzutage nicht zuletzt auf bild- oder videobasierten sozialen Plattformen wie Instagram und TikTok fortlaufend in Szene gesetzt und verfestigt.

3.1. Ernährung als Prozess des Embodying

Versteht man die Ernährung als Prozess des „Embodying“ (Paulitz & Winter, 2018, S. 3), kann diese grundlegend für die Formung und Materialisierung von Geschlechtskörpern verantwortlich gemacht werden. Sigrid Schmitz und Nina Degele verstehen unter dem Begriff „Embodying“ dynamische Verkörperungsprozesse, in denen der Körper zum Geschlechtskörper geformt wird (Dreyer, 2011, S. 57). Der Soziologe Stefan Hirschauer macht deutlich, dass „der Körper“ in unserer Welt nur als Produkt der sozialen Vermittlung existiert:

„[A]ls Resultat von Formierung und Bearbeitung, als Signifikat von Darstellungen, Beschreibungen und Zuschreibungen und als Medium kultureller Inskriptionen“ (Hirschauer, 1989, S. 112) In der Ernährung sieht Hirschauer eine soziosomatische Praxis, bei der die Geschlechterdifferenzen sozial hergestellt und im Körper materialisiert werden. Die Ernährung könne somit auch als Voraussetzung für die Ausprägung von geschlechtsspezifischen Merkmalen gesehen werden (Rückert-John & John, 2018, S. 61)8.

In Bezug auf die Ernährung schreibt der Soziologie Pierre Bourdieu, dass der „Geschmack“ für bestimmte Speisen und Getränke auch abhängig vom vorherrschenden Körperbild in der jeweiligen Klasse sei:

„Der Geschmack für bestimmte Speisen und Getränke hängt im weiteren [sic!] sowohl ab vom Körperbild, das innerhalb einer sozialen Klasse herrscht, und von der Vorstellung über die Folgen einer bestimmten Nahrung für den Körper, d. h. auf dessenKraft, Gesundheit und Schönheit“ (Bourdieu 1987, S. 305).

Gleichzeitig „liegt der Wahl einer bestimmten Nahrung das gesamte Köperschema“ (Bourdieu, 1982, S. 307) und die „Haltung beim Essen selbst“ (ebd.) zugrunde. In Analogie zu Bourdieu, der den Geschmack „als Natur gewordene, d. h. inkorporierte Kultur, Körper gewordene Klasse“ (Bourdieu, 1982, S. 307) versteht, bezeichnet Monika Setzwein den Geschmack als "Körper gewordene[s] Geschlecht" (Setzwein, 2004, S. 226), bei dem sich der „männliche“ bzw. „weibliche“ Geschmack, in die „fleischliche Gestalt der Geschlechtskörper“ (ebd., S. 259) einschreibe. So sei das Essverhalten von Mädchen in der Pubertät beispielsweise stärker von Diäten, Kontrollwünschen und Körperängsten geprägt als das der Jungen (ebd., S. 258).

Der unterschiedliche Umgang der Geschlechter mit dem Essen deckt sich laut Setzwein mit den Unterschieden in der frühkindlichen Körpersozialisation und den verschiedenen „Körperkarrieren“ (ebd., S. 250) von Jungen undMädchen. Während Mädchen bereits früh beigebracht wird, potenzielle körperliche Gefahren zu vermeiden (beispielsweise beim Spielen), Wert auf Körperästhetik zu legen und einen Sinn für Schönheit zu entwickeln, würden Jungen darin bestärkt ihren Bewegungsdrang auszuleben, ihre Kräfte in sportlichen Wettkämpfen zu messen und körperliche Grenzerfahrungen zu erleben (ebd. S. 252). Jungen und Männern wird dabei mehr Raum für die Ausprägung von verschiedenen Körperformen gegeben wird, während der weibliche Körper innerhalb der modernen Gesellschaft einer größeren sozialen Kontrolle unterliegt. Dies wird auch darin deutlich, dass Dicksein von Frauen in der Regel grundsätzlich negativer bewertet wird als bei Männern, die auch positive Assoziationen, wie die des „geselligen“ oder „gemütlichen“ und „freundlichen“ Dicken, weckt (ebd., S. 247). Allerdings sind auch diese positivistischen Zuschreibungen in den Kontext von struktureller Dickenfeindlichkeit einzuordnen.

In diesem Zusammenhang spricht Monika Setzwein auch vom „korporalen Kapital“ (Setzwein, Ernährung-Körper-Geschlecht, 2004, S. 244) der Geschlechter: Während Jungen und Männern nicht allein die körperlichen Aspekte, sondern auch Faktoren wie der berufliche Erfolg, Geld, Statussymbole oder Machtpositionen maßgeblich zursozialen Anerkennung beitragen (ebd., S. 248), spielt bei Frauen das körperliche Erscheinungsbild eine herausragende Rolle: Laut Setzwein gründet sich ein Großteil der sozialen Anerkennung von Frauen auf ihre körperliche Erscheinung und ihr Begehrtwerden (ebd.,S.249). Unter dem „männlichen Blickwinkel“9 (ebd.) vollziehen Frauen dabei körperliche Stilisierungen, welche Einflussauf die Ernährung haben und dabei unter anderem dazu führen, dass Frauen „zumeist über ein höheres Ernährungsbewusstsein und eine größere Sensibilität im Umgang mit körperbezogenenProzessen verfügen“ (Setzwein & Prahl, 1999, S. 109).

4. Zwischen Gendermarketing und Awareness: Trends und Gegenbewegungen zum Verhältnis von Ernährung und Geschlecht

Auch wenn das binäre Geschlechtssystem mit seinen traditionellen Rollenbildern, sozialen Erwartungshaltungen und Machtstrukturen in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik geraten ist, gibt es in unserer heutigen Welt einige Ernährungs-Trends, die auf eine eindeutige Geschlechtertrennung hinarbeiten. Das sogenannte „Gender-Marketing“ zielt darauf ab, mit bestimmten Produkten gezielt Männer oder Frauen anzusprechen und dabei bestimmte Vorteile für das jeweilige Geschlecht hervorzuheben (FUMA, o.D.). So findet sich in den Supermarktregalen zum Beispiel „Männertee“ (z. B. von der Marke Yogi Tea), welcher laut Angaben des Herstellers „kräftig“, „würzig“ und „bodenständig“ ist (Yogi Tea, o.D.). Die Zutatenliste des Tees besteht aus „gerösteten Kräutern und Gewürzen, Ginseng, Chili und Muskatblüte“ (ebd.) und erweckt den Anschein, dass in diesem Lebensmittel vor allem jene Zutaten Anwendung finden, die nicht nur durch ihre Geschmacksintensität und Schärfe punkten, sondern auch eine besonders männliche Zuschreibung erfahren. Das „weibliche“ Äquivalent des Herstellers – der „Frauentee“ – wird mit den Worten „lebendig, einfühlsam, wundervoll“ (Yogi Tea, o.D.) beschrieben. Auf der Seite des Unternehmens Yogi Tea, werden die Zutaten des Tees nicht nur sinnlich beschrieben, sonderngleichzeitig mit einigen „weiblich“ anmutenden Begriffen wie „Geborgenheit“, „Kreativität“ und „Liebe“ in Verbindung gebracht:

„Die milde Kamille gibt Geborgenheit, Ingwer und Orangenschalen wecken Kreativität und Entdeckerlust. Ein Tee voller Liebe!“ (Yogi Tea, o.D.)

Interessant ist, dass – wie bereits im Theorieteil der Arbeit deutlich wurde – bei der Teesorte „Frauentee“ besonders die milden Eigenschaften des Lebensmittels hervorgehoben werden, während bei der Teesorte „Männertee“, die kräftigen Eigenschaften im Vordergrund stehen. Auch bei anderen Lebensmitteln findet die bewusste Trennung von „Mann“ und „Frau“ statt: Ein berühmtes Beispiel ist die „Schwarze Herren Schokolade“ der Marke Sarotti/Stollwerck. Die herbere Zartbitter Schokolade erhält bereits durch seinen Namen eine eindeutig männliche Zuschreibung, während das helle Gegenstück, die „Weiße Damenschokolade“ mit weißer Schokolade und Bourbon-Vanille eine weibliche Zuschreibung erhält. Monika Setzwein schreibt, dass die Schokolade grundsätzlich als feminin codierte Süßigkeit gilt – genauso wie das Naschen von süßen Leckereien im Allgemeinen.[10] Die herberen Sorten der Schokolade sollen sich hingegen von den weiblich konnotierten Süßigkeiten absetzen (Setzwein, Ernährung-Körper-Geschlecht, 2004, S.183). Setzwein schreibt dazu:

„Ihre dunkle, bittere, herbe Beschaffenheit markiert den erhabenen, edlen Status dieser Produkte und grenzt sie zum ‚süßlichen‘ Image der gewöhnlichen Nascherei ab“ (Setzwein, Ernährung-Körper-Geschlecht, 2004, S.183)

Dabei wird das Essen von Süßigkeiten mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen: Während das Naschen bei Frauen als Versuchung und weibliche Schwäche ausgelegt wird (ebd., S. 184), kann die herbere „Herren-Schokolade“ wiederum als Nahrung mit einem „stärkeren“ Image gelten.

4.1. Die Gegenbewegungen: Twitter-Aktivismus, Body-Positivity und Fat Feminism

Auch wenn sich in unserer Gesellschaft, u. a. beim Gendermarketing, immer noch auf die binäre Geschlechterordnung und -trennung gestützt wird, hat sich in breiten Teilen der Gesellschaft eine lebendige Diskussion etabliert, bei der bestehende Rollenbilder, Strukturen und Muster hinterfragt werden und auch den Status quo des Verhältnisses von Essen und Geschlecht auf den Prüfstand gestellt wird. In der öffentlichen Diskussion – insbesondere in den sozialen Netzwerken – werden Situationen zur Sprache gebracht, die problematische Bedeutungszuschreibungen und Machtverhältnisse im Bereich der Ernährung exemplarisch aufzeigen. Unter dem Hashtag #BananenSexismus entstand auf der Kurznachrichtenplattform Twitter beispielsweise eine Diskussion von Frauen, welche sich über sexistische Bemerkungen austauschten, die sie während des Essens von Bananen erhalten haben.

Angeregt von der Aktivistin Jorinde Wiese berichteten mehrere Frauen über ihre Erfahrungen mit der Sexualisierungdes Essens von Bananen, über sexistische Kommentare und das Gefühl, bis heute nicht von einer Banane abbeißen zu können (Pinkstinks, 2021). Weiter gefasst wird in den sozialen Netzwerken auch prominent über das Verhältnisvon Essen und Körper(-bildern) diskutiert. Unter dem Hashtag #bodypositivity zeigen viele Frauen ihre Körperformen, unabhängig von den etablierten Schönheitsidealen. Auch der Hashtag #foodbaby ist mit 958-tausend Beiträgen auf der Plattform Instagram ein beliebtes Schlagwort, unter dem insbesondere Frauen ihre aufgeblähten Bäuche nach dem Essen zeigen. Die Bewegung des „fat feminism“ hingegen nutzt das Wort „fat“ als empowernden Begriff und sieht einen dicken/mehrgewichtigen Körper nicht als Zustand hin zu einem optimierten, schlankeren Selbst an, sondern akzeptiert ihn als Istzustand (Labouvie, o.D.). Diese Form des Widerstands sei laut der Wissenschaftlerin Eva Labouvie mittlerweile im Mainstream angekommen. Deutlich wird dies beispielsweise daran, dass Plus-Size-Models wie Tess Holiday sich weitreichender Bekanntheit erfreuen und mittlerweile auch auf bekannten Beauty- und FashionMagazinen wie der „Cosmopolitan“ abgedruckt werden (ebd.).

5. Zusammenfassung

Wo befinden wir uns also heute, wenn es um das Verhältnis von Essen und Geschlecht geht? Die Quellenanalyse in der vorliegenden Arbeit konnte verdeutlichen, dass unser Essverhalten stark von den tiefer liegenden Strukturen in unserer Gesellschaft geprägt ist und sich deshalb – wie Studien zeigen – auch heute noch geschlechtsspezifisch unterscheidet. Die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen, sind oft hochgradig mit geschlechtsspezifischen Bedeutungen aufgeladen und unterliegen den Prozessen der Vergeschlechtlichung.

Unser Essverhalten kann als Teil jener Handlungen verstanden werden, die wir nutzen, um innerhalb von sozialen Interaktionsprozessen Geschlechtsidentitäten zu konstruieren. So führen wir -beim Essen unbewusst Handlungenaus, die das Produkt langjährig etablierter (Macht-)Strukturen innerhalb eines binären Geschlechtssystems sind. Dies drückt sich z. B. in der Präferenz für bestimmte Lebensmittel aus, aber auch bei der Zubereitung des Essens im familiären Kontext oder beim Essen in Gemeinschaft. Besonders eindrücklich zeigt sich dies in der Untersuchung der Pädagoginnen Lotte Rose und Thea Seehaus, die das „Doing Gender“ von Kindern beobachten.

Darüber hinaus ist unser Essverhalten eng mit den vorherrschenden Körperbildern in unserer Gesellschaft verknüpft. Wie Bourdieu sagt: „Der Geschmack für bestimmte Speisen und Getränke hängt […] vom Körperbild [ab], das innerhalb einer sozialen Klasse herrscht“ (Bourdieu 1987, S. 305). Mädchen und Jungen werden bereits in ihrer frühkindlichen Körpersozialisation unterschiedlich hinsichtlich des Umganges mit ihrem Körper erzogen. Dies hat später ebenfalls Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Geschlechter.

Viele Quellen, die in dieser Arbeit zitiert wurden, stammen aus den 1980er Jahren oder aus den Anfängen des neuen Jahrtausends. Dennoch ist die Problematik des Verhältnisses von Essen und Geschlecht noch gegenwärtig von Bedeutung. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass auch heute noch Frauen wegen des Essens von bestimmten Nahrungsmitteln sexualisiert werden und in vielen alltäglichen Situationen die Ernährung vergeschlechtlicht wird – man denke an berühmte Rezeptklassiker für „Männer- und Frauenabende oder einschlägige (Frauen-)Zeitschriften die noch heute auf ihren Titelseiten prominent Diätvorschläge platzieren. Eine Verdichtung erfährt dieses Vorgehen inder Werbung und beim Gendermarketing. Als weitverbreitete Maßnahme wird hier mit geschlechtsspezifischen Zuschreibungen gearbeitet, die sowohl den unterschiedlichen Geschlechtern bestimmte Attribute zugeordnet als auch den zu bewerbenden Lebensmitteln.

Dennoch lässt sich sagen, dass sich in den vergangenen Jahren ein stärkeres Bewusstsein für die etablierten Geschlechterstrukturen und die damit verbundenen Probleme entwickelt hat. Kritische Aspekte wie dieSexualisierung von Frauen oder der Ausschluss von Personengruppen, die nicht in das binäre Geschlechtersystemeingeordnet werden können, werden öffentlichkeitswirksam zur Sprache gebracht. Diese Entwicklung ist auch im Bereich der Ernährung zu beobachten, vor allem in Hinblick auf die Kritik an bestehenden Schönheitsidealen und Körperpraktiken. Allerdings besteht auch in diesem Bereich Potenzial, tief verwurzelte Strukturen in der Gesellschaft noch mehr zu erkennen und aufzubrechen, ganz nach dem Motto von Judith Butler: Auch kleine Veränderungen imalltäglichen Handeln können dafür sorgen, dass manifestierte Strukturen durchbrochen werden.

 

Literaturverzeichnis

Barthes, R. (1982). Für eine Psycho-Soziologie der zeitgenössischen Ernährung. Freiburger Universitätsblätter (75), 65-73.

Bourdieu, P. (1982). Die feinen Unterschiede: Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. (ü. v. Russer, Übers.) Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Butler, J. (2009). Körper von Gewicht. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Butler, J. (2021). Das Unbehagen der Geschlechter (22. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Charles, N., & Kerr, M. (1988). Woman, food and families. Manchester: Manchester University Press. DGE. (07. Januar 2014). Männer essen anders: DGE nahm Lebensmittelverzehr von Männern und

Frauen unter die Lupe. Abgerufen am 24. September 2021 von DGE: https://www.dge.de/presse/pm/maenner-essen-anders/

Dreyer, I. (2011). Nina Degele, Sigrid Schmitz, Marion Mangelsdorf, Elke Gramespacher (Hrsg.): Gendered Bodies in Motion, Opladen u. a. 2010. Arbeitstitel – Forum für Leipziger Promovierende, Band 3 (Heft 1), 56-58.

Fiddes, N. (2001). Fleisch - Symbol der Macht (3. Auflage). Frankfurt am Main: Zweitausendeins- Verlag.

FUMA. (kein Datum). Gender-Marketing. Abgerufen am 07. Januar 2022 von FUMA - Fachstelle für Gender & Diversität NRW: https://www.gender-nrw.de/gendermarketing/

Gildemeister, R. (2019). Doing Gender: eine mikrotheoretische Annäherung an die Kategorie Geschlecht. In B. Kortendiek, B. Riegraf, & K. Sabisch (Hrsg.), Handbuch InterdisziplinäreGeschlechterforschung (Geschlecht und Gesellschaft Band 65, S. 409-417). Wiesbaden: Springer VS. doi: https://doi.org/10.1007/978-3-658-12496-0_35

Guttandin, F. (2020). Habitus. In D. Klimke, R. Lautmann, U. Stäheli, C. Weischer, & H. Wienold (Hrsg.), Lexikon zur Soziologie (S. 299). Wiesbaden: Springer VS.

Handelsdaten. (2021). Anteil der Veganer und Vegetarier in Deutschland nach Geschlecht (in Prozent)

– Ergebnisse einer im Jahr 2021 durchgeführten Verbraucherumfrage. Abgerufen am 03. Januar 2022 von handelsdaten.de: https://www.handelsdaten.de/einkaufsverhalten/anteil- veganer-vegetarier-deutsche-verbraucher-nach-geschlecht

Hirschauer, S. (02. April 1989). Die interaktive Konstruktion von Geschlechtszugehörigkeit. Zeitschrift für Soziologie (Jahrgang 18), 100-118. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfsoz-1989-0202/pdf

Labouvie, E. (o.D.). Projektvorstellung Fat Feminism als Widerstand im Spannungsfeld von Doing Gender und Biopolitik. Abgerufen am 07. Januar 2022 von Forschungsportal Sachsen Anhalt: https://forschung-sachsen-anhalt.de/project/fat-feminism-widerstand-spannungsfeld-23287

Max Rubner-Institut, B. f. (Hrsg.). (2008). Ergebnisbericht Teil 2, Nationale Verzehrsstudie II. Karlsruhe. Abgerufen am 24. September 2021 von https://www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Institute/EV/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf

Mütherich, B. (2015). Die soziale Konstruktion des Anderen - Zur soziologischen Frage nach dem Tier.

In R. Brucker, M. Bujok, B. Mütherich, M. Seeliger, & F. Thieme (Hrsg.), Das Mensch-Tier- Verhältnis: Eine sozialwissenschaftliche Einführung (S. 49-77). Wiesbaden: Springer VS.

Nestlé. (2019). Ergebnisse der Nestlé Ernährungsstudie. Abgerufen am 03. Januar 2022 von nestle.de: https://www.nestle.de/unternehmen/publikationen/nestle- studie/ernaehrungsstudie/hintergrund

Paulitz, T., & Winter, M. (29. März 2018). Ernährung und vergeschlechtlichte Körper: Eine theoretische Skizze zur Koproduktion von Geschlecht, Embodying und biofaktischen Nahrungsmitteln. Open Gender Journal. doi:https://10.17169/ogj.2018.16

Paulitz, T., & Winter, M. (2019). Ernährung aus kultursoziologischer Perspektive. In S. Moebius, F. Nungesser, & K. Scherke (Hrsg.), Handbuch Kultursoziologie (Band 2: Theorien – Methoden – Felder, S. 319-336). Wiesbaden: Springer VS.

Pinkstinks. (09. August 2021). Bananensignale. Abgerufen am 06. Januar 2022 von pinkstinks.de: https://pinkstinks.de/bananensignale/

Rose, L., & Seehaus, R. (2016). Doing Gender und Doing Diversity with Food: Befunde einer Ethnographie zum Schulessen. In U. Graff, K. Kolodzig, & N. Johann (Hrsg.), Ethnographie – Pädagogik – Geschlecht: Projekte und Perspektiven aus der Kindheits- und Jugendforschung (S. 173-186). Wiesbaden: Springer VS.

Rückert-John, J., & John, R. (2018). Geschlecht gegessen. Die Bedeutung der Geschlechterperspektive für die Ernährungsforschung. In A. Häußler, C. Küster, S. Ohrem, & I. Wagenknecht (Hrsg.), Care und die Wissenschaft vom Haushalt. Aktuelle Perspektiven der Haushaltswissenschaft (S. 47-72). Wiesbaden: Springer VS.

Schneider, C. (12. September 2021). Neue Studie: Was essen die Bayern? Abgerufen am 03. Januar 2022 von br.de: https://www.br.de/nachrichten/bayern/neue-studie-was-essen-die- bayern,SigpA7h

Setzwein, M. (2004). Ernährung als Thema der Geschlechterforschung. In J. Rückert-John, & F. Kromka (Hrsg.), Hohenheimer Beiträge zu Gender und Ernährung (S. 50-72). Universität Hohenheim. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.uni- hohenheim.de/uploads/media/Hohenheimer_Gender undErnaehrung_1_2004.pdf abgerufen

Setzwein, M. (2004). Ernährung-Körper-Geschlecht. Zur sozialen Konstruktion von Geschlecht im kulinarischen Kontext. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Setzwein, M., & Prahl, H.-W. (1999). Soziologie der Ernährung. Opladen: Leske + Budrich. Statista. (10. November 2021). Umfrage in Deutschland zum Geschlecht der Vegetarier 2021.

Abgerufen am 04. Dezember 2021 von statista.de: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/745028/umfrage/vegetarier-in-deutschland- nach-geschlecht/

Vegawatt. (kein Datum). Sind Veganer eigentlich Veganerinnen? Abgerufen am 04. Dezember 2021 von vegawatt.de: https://vegawatt.de/vegan-leben/sind-veganer-eigentlich- veganerinnen#:~:text=Veganer%20sind%20eher%20weiblich%20und,%25%20Frauen%20und%2030%20%25%20M%C3%A4nner.

Wald, C. (2009). Gender-Performativität und theatrale Performance: As You Like It. In Theorien der Literatur: Grundlagen und Perspektiven (4. Ausgabe, S. 169-189). Abgerufen am 20. Dezember 2021 von http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-0-300346

West, C., & Zimmerman, D. (02. Juni 1987). Doing Gender. Gender and Society (Volume 1), 125-151.

Abgerufen am 06. Januar 2022 von http://links.jstor.org/sici?sici=0891-2432%28198706%291%3A2%3C125%3ADG%3E2.0.CO%3B2-W

Yogi Tea. (o.D.). Frauentee. Abgerufen am 06. Januar 2022 von Yogi Tea: https://www.yogitea.com/de/products/yogi-tea/frauentee/

Yogi Tea. (o.D.). Männer Tee. Abgerufen am 06. Januar 2022 von yogitea.com: https://www.yogitea.com/de/products/yogi-tea/maenner-tee/

 

Medienverzeichnis

Burgerking. (2021). King's Selection I Burger King [YouTube Video]. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.youtube.com/watch?v=5PeXY9z6gYI

Burgerking. (2021). King's Selection: King's Whisky BBQ** I Burger King [YouTube Video]. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.youtube.com/watch?v=tvI5_cNq338

Dr. Oetker Deutschland. (2021). Dr. Oetker Seelenwärmer Familien-Cremepudding TV Spot (behind the scenes) [YouTube Video]. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.youtube.com/watch?v=nmyUDZyH3lU

Overheardla. (2021). [Instagram Post]. Abgerufen am 07. Januar 2022 von https://www.instagram.com/p/CVwN0y_PA-g/

 

1 Ein Beispiel sind die Werbespots von Burger King für die Burger-Reihe „Kings-Selection“: Die Werbespots stellen insbesondere Männer in den Mittelpunkt, welche mit großen Bissen herzhaft in ihre Burger beißen. Kombiniert werden die Werbespots mit dem Voiceover einer tiefen,männlichen Stimme, einem dunklen und männlich anmutenden Design sowie dem In-Szene-Setzen von scheinbar besonders „männlichen“Zutaten, wie Whiskey-BBQ-Sauce, Rindfleisch oder Bacon. Die Links zu den Werbespots sind zu finden auf YouTube unter: https://www.youtube.com/watch?v=tvI5_cNq338 (zuletzt abgerufen am 07.01.2022) und https://www.youtube.com/watch?v=5PeXY9z6gYI(zuletzt abgerufen am 07.01.2022)

2 Ein eindrückliches Beispiel hierfür ist der Werbespot von Dr. Oetker für den „Seelenwärmer Familien-Cremepudding“. Der Werbespot stellt nicht nur die weibliche Protagonistin in den Mittelpunkt, sondern vermittelt auch die traditionellen Rollenbilder einer Kleinfamilie, bei denen die Frau dieRolle der Hausfrau und Mutter einnimmt. Zu sehen ist der Werbespot auf YouTube unter: https://www.youtube.com/watch?v=nmyUDZyH3lU(zuletzt abgerufen am 07.01.2022)

3 Der Instagram-Kanal „overheardla“ sammelt und postet Zuschriften von Internetnutzer*innen über mitgehörte Gesprächsfetzen aus der Stadt Los Angeles. Die Follower*innen haben die Möglichkeit ihre mitgehörten Dialoge online mit den Betreiber*innen des Accounts zu teilen. Der Instagram-Kanal von „overhealdla“ erfreut sich großer Beliebtheit und zählt aktuell rund 1,6 Millionen FollowerInnen.

4 Viele Quellen, die in dieser Arbeit zitiert werden, beziehen sich in ihren Betrachtungen lediglich auf die Unterschiede zwischen den Geschlechtern des binären Geschlechtssystems (also primär auf die Unterschiede zwischen cis Männern und cis Frauen). Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Veröffentlichung einiger Quellen bereits einige Jahre zurückliegt. Andererseits macht genau dieser Fakt deutlich, dass die Vielzahl der Geschlechtsidentitäten in einigen Bereichen immer noch nicht umfassend berücksichtigt wird. Aufgrund der gegebenen Quellen wird in dieser Arbeit ebenfalls hauptsächlich auf die Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht eingegangen. Dennoch sei darauf hingewiesen, dass die Problematiken bestehender Machtstrukturen, Körperbilder etc. ebenfalls auf andere Geschlechter bezogen werden können.

5 Auch in diesen Studien wurden lediglich die Geschlechter des binären Geschlechtssystems betrachtet.

6 Als Beispiel nennt Setzwein „scharfe, bittere, herbe, stark gewürzte Speisen und hochprozentige Alkoholika“ (Setzwein, 2004, S. 52)

7 Die Autorinnen verstehen unter einer „richtigen Mahlzeit“, eine frisch gekochte, warme Speise, die oftmals Fleisch beinhaltet und im familiären Verbund gemeinsam (und oft an einem Tisch sitzend) gegessen wird (Charles & Kerr, 1988, S. 18 ff.).

8 Laut den Autor*innen komme es bei pathologisch geltenden Esspraktiken, wie Anorexie oder Adipositas, hingegen zu einer verminderten Einprägung der geschlechtsspezifischen Merkmale. Durch „Strategien des körperlichen Verschwindens“, wie dem „Zerfließen“ des Körpers bei Adipositas oder dem „Unsichtbar-Werden“ bei der Anorexie, komme es zum Verlust der „wichtigste[n] Grundlage geschlechtlicher Rollenerwartungen  und  Identitätsbildung“. (Rückert-John & John, 2018, S. 61)

9 Setzwein bezieht sich hier auf die Theorie des hierarchischen Blickes von: „Der überwachende, Anerkennung zubilligende oder versagende männliche Blick wird als externer Zwang von Frauen verinnerlicht und im alltäglichen Blick in den Spiegel ritualisiert. Auf diese Weise erfährt die männliche Macht eine Entindividualisierung und Automatisierung.“ (Setzwein, Ernährung-Körper-Geschlecht, 2004, S. 249)

[10] Interessant ist, dass diese Zuschreibung nicht mir der eingangs erwähnten Studie der dge übereinstimmt. Laut dieser nehmen Männer mehr Süßigkeiten als Frauen zu sich (dge, 2014).

Zurück