Über flüssiges Future Food

 

Essen war gestern. Der produktive Mensch von heute greift lieber auf Flüssignahrung zurück. Das spart schließlich Zeit, Geld und ist gesund, enthält sie doch genau die Nährstoffe, die unser Körper braucht. Das wollen uns wenigstens die allgegenwärtigen Werbekampagnen von Trendprodukten wie YFood, Huel, Manaund Co. glauben machen.

Es scheint, als hätte mit flüssigen Ersatzmahlzeiten die Funktionalisierung und Entkulturalisierung von Nahrung ihren Höhepunkt erreicht. Beim Essen geht es nicht mehr um Praktiken der Zubereitung, Geselligkeit und gesellschaftliche Rituale. Im Sinne einer Ökonomisierung des Lebens und ständiger Selbstoptimierung rücken diese kulturellen Aspekte von Nahrung zugunsten eines reinen Effizienzdenkens in den Hintergrund – es geht scheinbar nur noch darum, eine biologistische Funktion, das Stillen von Hunger und den Erhalt des Körpers, zu erfüllen. Der Mensch als Maschine, der flüssige Nährstoffmix als sein Treibstoff. Die Metapher liegt nahe, nicht umsonst heißt einer der Marktführer schließlich “Huel”.

Zu essen ist für uns Menschen nicht einfach nur eine biologische Notwendigkeit – soweit wir denken können, war unsere Nahrungsaufnahme immer in kulturelle Kontexte eingebettet und aufs engste mit gesellschaftlichen Strukturen und sozialen Zugehörigkeiten verflochten. Diese kulturellen Zusammenhänge beginnen bei der Auswahl der Nahrungsmittel, und reichen über Ernährungstabus, Arten der Zubereitung bis hin zu Ritualen und Gepflogenheiten zu Tisch. Essen stiftet Gemeinschaft, schafft soziale Ein- und Ausschlüsse.[1] Dementsprechend sind wir in der Auswahl unserer Nahrung nicht mehr einfach nur instinktgebunden.[2] Was wir essen, ist immer auch ein Ausdruck kultureller Prägungen, Idealvorstellungen, Sozialisation und Fragen der Identität. Unsere Ernährung spielt so eine fundamentale Rolle für unser Selbstbild – nach innen wie nach außen. Mit der Auswahl unserer Lebensmittel wägen wir ökonomische, gesundheitliche und praktische Aspekte Tag für Tag ab und verschaffen unserer Persönlichkeit mit all ihren Wertvorstellungen, sozialen Zugehörigkeiten und Idealen Ausdruck. Unsere Essgewohnheiten sind damit Spiegel unseres individuellen unmittelbaren Lebensalltags, genauso wie Abbild gesellschaftlicher und technologischer Trends, Werte und Veränderungen.[3] Nahrung ist also nicht einfach nur Nahrung, sondern kultureller Text zugleich. Esskulturen fungieren als kulturelle Zeichensysteme – jedes Nahrungsmittel, jedes Gericht, lässt sich als kulturelles Zeichen lesen, das gesellschaftliche Konstrukte und Tendenzen vermittelt. Eine immer verfügbare Flüssigmahlzeit entbindet uns von der sonst so zeitlich und sozial geordneten Struktur unserer Mahlzeiten und macht die Nahrungsaufnahme dagegen wieder zu einem ursprünglichen Akt der reinen Nährstoffaufnahme – und stampft jegliche Grammatik der Esskultur ein.[4]

Wollen wir uns erst einmal dem Phänomen der Flüssignahrung widmen – was hat es damit überhaupt auf sich?

Bestrebungen, reguläre Mahlzeiten durch komfortable und funktionale Alternativen zu ersetzen, sind kein neues Phänomen. Gerade historische Proviantnahrungsmittel entsprechen wohl weitestgehend dem, was die Trinkmahlzeiten von heute erfüllen wollen: Eine vollwertige Mahlzeit zu bieten, ohne jedoch Zeit und Aufwand für Zubereitung und Konsum in Anspruch zu nehmen. Als historisches Beispiel sei hier etwa Pemmikan genannt, ein Nahrungsmittel indigener Einwohner*innen Nordamerikas, das meist aus einer Mischung aus Dörrfleisch und Fett besteht. Vorangetrieben von technischen Möglichkeiten und Innovationen erfuhr diese Form der Nahrung in hochtechnisierter Form in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen zwischenzeitlichen Höhepunkt – als Astronaut*innenennahrung in Würfelform oder aus der Tube. Die Raumfahrt zeigte die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten technischen Fortschritts und beflügelte auch im Kontext von Ernährung Zukunftsphantasien, etwa von Essen in Pillenform.[5]

Die Flüssignahrung, wie wir sie heute aus der Werbung und dem Supermarktregal kennen, wurde zuerst 2013 vom US-amerikanischen Softwareingenieur Rob Rhinehardt erdacht. Der Anspruch: Eine flüssige Mahlzeit, die alle für den menschlichen Körper benötigten Nährstoffe beinhaltet. Das Produkt Soylent war geboren. In den darauffolgenden Jahren fand die Idee zahlreiche Nachahmer, die nun auf dem Markt um die Gunst potenzieller Kund*innen buhlen.

Aber wie schmecken diese Produkte eigentlich? Ich habe den Selbstversuch gewagt. Recht süß, milchartig, wenn auch dickflüssiger, künstlich anmutendes Vanillearoma. Insgesamt etwas fad. YFood, Huel, Mana und Co. gibt es inzwischen in allerlei Geschmacksrichtungen, etwa Schokolade, Beeren oder in trendigen Sorten wie Cold Brew Coffee oder Salzkaramell.

Wie kommt es nun, dass heute, in einer Zeit, in der „echte” Mahlzeiten nahezu ständig in allen möglichen Formen verfügbar sind, offenbar eine Nachfrage nach solch funktionalistischen Produkten besteht? Welche Trends und gesellschaftlichen Diskurse sind es, die Menschen heute zu funktioneller Nahrung wie Flüssigfood greifen lassen?

Fest steht: Unsere Essgewohnheiten haben sich in den letzten Jahrzehnten in einem zuvor ungeahnten Tempo weiterentwickelt. Wo sich in vorherigen Jahrhunderten diätetische Muster verhältnismäßig langsam veränderten, sind kurzzeitige Foodtrends in unserer beschleunigten und globalisierten Welt allgegenwärtig. Natürlich sind diese Trends einerseits ein bewusst forciertes Mittel der Industrie, um neue Bedürfnisse und Nachfragen zu schaffen, doch diese Funktion als Konsummotor ist nicht alles. Die heutigen Veränderungen in unseren Essgewohnheiten sind nämlich aufs engste mit technologischen Fortschritten und gesellschaftlichen Entwicklungen verknüpft. Innovationen und Trends bestimmen seit eh und je, was wir wo und wie an Nahrung zu uns nehmen – doch die heute rasante Geschwindigkeit ist etwas Neues.[6]

Widmen wir uns zuerst dem technologischen Aspekt dieser Entwicklungen. Ob Tiefkühlschrank oder Mikrowelle: Erst entsprechende technische Voraussetzungen machten zum Beispiel den Aufstieg des Convenience Foods möglich. Bei Functional Food, also Nahrungsmitteln, die besondere Funktionen für unseren Körper und unsere Gesundheit erfüllen sollen, ist es dasselbe. Als hochtechnisierte Form der Nahrung sind sie Ergebnis neuartiger Produktionsprozesse und naturwissenschaftlicher Erkenntnisse über Nährstoffzusammensetzungen. Aber wie folgt nun der logische Schritt zur Flüssignahrung? Folgen wir Günther Anders, scheint es, als müsse der Mensch das technisch mögliche auch stets tatsächlich umsetzen – ungeachtet der Folgen und Wirkungen.[7] Dieses Machbarkeitsdenken brachte uns wohl erhebliche zivilisatorische Fortschritte und ermöglichte uns etwa, den globalen Hunger einzudämmen und uns ein riesiges Sortiment verschiedenster Produkte ständig verfügbar zu machen, doch gipfelt es auch in Problemen für Umwelt und Gesundheit.

Die Frage, ob all diese technischen Fortschritte, sei es Tiefkühlpizza, Lieferdienste oder eben Flüssignahrung, von Konsument*innen überhaupt angenommen werden und sich verbreiten, hängt wesentlich von der anderen Seite der Medaille ab: den gesellschaftlichen Diskursen und Trends, die unser tägliches Handeln und unsere Konsumentscheidungen bestimmen. Denn erst, wenn technische Innovationen gesellschaftlichen Megatrends entgegenkommen, haben sie eine Chance, sich zu verbreiten und durchzusetzen.[8] Als Megatrends bezeichnet die Zukunftsforschung mehrdimensionale gesellschaftliche Entwicklungen über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte, die global all unsere Lebensbereiche betreffen. Als heutige gesellschaftliche Megatrends lassen sich etwa eine fortschreitende Individualisierung, Digitalisierung, neue Formen und Organisationen von Arbeit, Globalisierung und die zunehmende Bedeutung von Wissen ausmachen.[9] Diese Bedeutung und die technische Verfügbarkeit von Wissen und ein zunehmender Trend zur Selbstoptimierung als Resultat der Individualisierung sind wohl ganz entscheidend für den heutigen Boom von Functional Food und auch Flüssignahrung.

Wie die meisten unserer Lebensbereiche unterliegt heute auch unsere Ernährung einer allumfassenden Quantifizierung. Ob Nährstofftabelle oder Nutriscore: Wo wir auch hinsehen, wird der Wert von Lebensmitteln anhand ihrer spezifischen Inhaltsstoffe bewertet und dargestellt. So können wir uns quasi nach Checkliste ernähren – ohne dass uns Unwissen über die spezifischen Nährwerte unserer Ernährung belasten könnte. Noch nie war uns die Zusammensetzung unserer Ernährung also so präsent wie heute. Dieses Wissen schafft Druck, uns „richtig” zu ernähren – gesellschaftlich wie individuell.  Schließlich haben wir nun alle die Informationen, die uns zu einer perfekt ausgewogenen Ernährung bringen könnten, wenn wir uns aktiv dazu entscheiden. Zugleich war auch die Auswahl an Nahrungsmitteln noch nie so groß wie heute, ist es da nicht verständlich, zur einfachsten Lösung in der Flasche zu greifen, die all diese Erwartungen an unsere Ernährung erfüllt? Schließlich kostet uns jeder Entscheidungsprozess wertvolle Ressourcen, Zeit und Mental Load, die uns in einem leistungsorientierten sozialen Umfeld an anderer Stelle fehlen.
Im Sinne stetig zu verbessernden Leistungen und einem Effizienzdenken, das auch vor unserem Alltagsleben nicht Halt macht, soll unsere Ernährung einen funktionalen Zweck erfüllen, nämlich den der gesunden Ernährung und der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit. So kommt es, dass Essen zunehmend Ich-bezogen und funktional wird. In einem gesellschaftlichen Klima, in dem individualisierte Spitzenleistungen gefragt sind, wird Ernährung zum Instrument der Selbstoptimierung.

Functional Food in seiner flüssigen Form verbannt nicht nur die kulturellen Praktiken des Kochens aus unserem Alltag, sondern auch soziale Formen und Rituale der Essensaufnahme. Das Einzige, was noch zählt, ist die Funktion. So geben wir maximal Verantwortung über unsere Ernährung ab, stets in dem Wissen, trotzdem das richtige für unsere Gesundheit zu tun. War eine gesunde Ernährung in früheren Zeiten, wenn überhaupt möglich, noch mühsame Arbeit – von der Auswahl und dem Einkauf der Zutaten, dem Wissen über Inhaltsstoffe, bis hin zu den richtigen Zubereitungspraktiken – nehmen uns nun funktionale Fertigprodukte diese geistigen und körperlichen Prozesse ab. Schließlich weiß das Produkt als Manifestation von Wissen doch letztendlich am besten, was wir brauchen.

Die Marketingstrategien von Huel, Mana, YFood usw. setzen exakt auf dem diskursiven Nährboden an, den jene gesellschaftlichen Megatrends schaffen. Marketing nutzt die zeichenhafte Ebene von Nahrungsmitteln und lädt sie mit zusätzlichen Bedeutungen auf, die dem Zeitgeist, Trends und präferierten Zielgruppen entsprechen. Mit ihrer Werbung bieten Produzent*innen von Nahrungsmitteln kulturelle Texte an, die suggerieren, dass die entsprechenden Produkte gezielt Probleme im Leben der Konsument*innen lösen können.[10] Unser Leben besteht aus zahllosen Abwägungen und Entscheidungen – Marketing will uns diese Entscheidungen abnehmen, indem es uns von den Vorteilen und der Notwendigkeit dieses oder jenes Produktes überzeugt. Und nie war die Vielfalt an Produkten und möglichen Ernährungsweisen so vielfältig wie heute. Damit hat sich sowohl die Zahl unserer täglichen Entscheidungen als auch die Bedeutung von Marketingstrategien multipliziert. Werbekampagnen und Slogans wollen uns nicht nur von den (vermeintlichen?) Vorteilen flüssiger Nahrung überzeugen – zentral ist in ihrer Kommunikation auch die stetig implizierte Aura von Modernität, Fortschritt und Zukunft.

„Bewusste Ernährung ganz einfach” lautet etwa ein Werbeslogan von YFood, „mit Huel hast du deine Ernährung voll im Griff” heißt es beim Konkurrenten. „Fast Food. Kein Junk Food” (Huel) – Flüssignahrung spart Zeit, vermittelt Konsument*innen aber das Gefühl, sich gesund und vollwertig zu ernähren. “Die Ernährung von morgen” (YFood), “gemacht für Deinen modernen Lifestyle” (YFood).

YFood, Huel, Mana und Co. wollen aber mehr als nur eine Ersatzmahlzeit an den Menschen bringen, es will ein ganzer Lifestyle verkauft werden. Ein Lifestyle, der die gesellschaftlichen Megatrends von Selbstoptimierung, New Work und Wissensgesellschaft verkörpert. Einen Lifestyle, der eine gesunde Ernährung ohne Aufwand und aktive Entscheidungsprozesse verspricht. Nicht von ungefähr werden die Produkte am liebsten im Abomodell vertrieben: So wird die Identifikation von Kund*innen mit dem Produkt vertieft, es wird im Idealfall zum Teil einer täglichen Routine und ein Baustein der Identität. Gleichzeitig bietet diese Kundenbindung handfeste monetäre Vorteile – vordergründig natürlich für beide Seiten.

Dabei ist flüssige Nahrung überhaupt nicht die neue Erfindung, als die sie beworben wird. Denn sowohl Säuglinge als auch kranke Menschen werden teils durch Flüssigkeiten mit den für sie notwendigen Nährstoffen versorgt. Was sich bisher also eher als Zeichen von körperlicher Schwäche und Zerbrechlichkeit lesen ließ, deutet das Marketing nun als etwas Erstrebenswertes um.

Aber wie bedeutsam ist der Trend dieser maximal funktionalisierten Nahrung nun überhaupt? Ist unsere Esskultur in Gefahr? Werden wir uns in absehbarer Zukunft nur noch von flüssigen Ersatzmahlzeiten ernähren? Oder ist Flüssignahrung ein Nischenprodukt, das, angefeuert von umfassenden Marketingkampagnen, lediglich überproportional großen medialen Raum einnimmt?

Ja, flüssige Ersatzmahlzeiten entkoppeln unsere Nahrungsaufnahme ein ganzes Stück weit von den kulturellen Strukturen und Prozessen, in die sie sonst eingebettet ist. Indem Essen nur noch den Raum eines zeitlichen „Zwischendurchs” einnimmt, verliert Esskultur an Stellenwert. Aber ist diese Entwicklung wirklich neu? Nicht wirklich – denn schon der Aufstieg von Convenience Food der letzten Jahrzehnte läutete diese Entwicklung ein. Während Convenience Food jedoch ein gewisser Anspruch auf Genuss und wenigstens der Verweis auf bekannte und geliebte Gerichte inhärent ist, gerät der Aspekt des Geschmacks und der Bezug auf Vertrautes in der Flüssignahrung weitestgehend in den Hintergrund. Stattdessen rückt neben Schnelligkeit und Komfort die Funktionalität für unseren Körper in den Fokus. So stellen Mana, YFood, Huel und Co. letztlich die zu Ende gedachte Synthese der Trends von Convenience und Funktionalität dar – ohne dabei Komfort gegen ein schlechtes Gewissen eintauschen zu müssen.

Ich denke jedoch nicht, dass unsere Esskultur durch diese Form der Flüssignahrung ernsthaft bedroht ist. Die Hersteller dieser Produkte greifen gekonnt gesellschaftliche Trends auf und integrieren sie geschickt in ihre Marketingstrategien. Dabei vermitteln sie das Bild von einem Lifestyle, in dem sich alles um Performance, Optimierung und mehr Effizienz in der Arbeit dreht. Diese Form der Lebensgestaltung mag es durchaus geben – aber ist sie erstrebenswert?

Schon in der Vergangenheit zeigte sich, dass „der zentrale Irrtum der technokratischen Ernährungsfantasien jedoch war, dass sie Schnelligkeit und Bequemlichkeit als die einzigen, für die Zukunft des Essens ausschlaggebenden Kriterien sahen”[11]. Es ist dementsprechend wohl kein Zufall, dass Unternehmen wie Huel, Mana und YFood ihre Produktpalette inzwischen diversifizieren: Alle drei Hersteller bieten inzwischen auch klassisches Convenience Food an, etwa Instant-Nudelgerichte oder Fertig-Currys. Mit dem entscheidenden Unterschied zu altbekannten Convenienceprodukten, dass die Nährwerttabelle dasselbe verspricht wie die flüssigen Produkte – unserem Körper all das zu liefern, was er braucht. Die maximale Entfremdung vom Bekannten scheint wohl eher eine Sackgasse zu sein.

Wo früher der Beruf identitätsstiftend war und über das ganze Leben entschied, sind Lebensentwürfe heute viel fluider. Arbeit gilt in unserer Wohlstandsgesellschaft als ein Aspekt des Lebens, macht es aber nicht mehr alleinig aus. Dem entspricht auch die heutige Diskussion um die sogenannte Work-Life-Balance: Wieso soll gerade in einer Gesellschaft, in der Forderungen nach einer 4-Tage-Woche lauter werden, beim Essen Zeit eingespart werden? Bietet das Essen doch gerade einen willkommenen Ausbruch aus dem von Arbeit dominierten Bereich unseres Lebens und Raum, unserem Individuum Ausdruck zu verleihen.

Effizienz und Selbstoptimierung spielen in unserer Gesellschaft durchaus eine zentrale Rolle, doch umso wichtiger werden angesichts dessen die Gegenpole in unserem Leben – sei es beim gemeinsamen Lunch mit Kolleg*innen, beim Festessen mit der Familie oder dem Kochen mit Freund*innen. Und tatsächlich: Zeitgleich zum Aufstieg funktionaler Nahrungsmittel erleben wir heute in einem nie da gewesenem Ausmaß eine Renaissance vergessener kulinarischer Traditionen, einen Boom nachhaltiger regionaler Ernährung und der Zelebration von Esskultur in all ihren Formen; man denke nur an den omnipräsenten Begriff des Slow Foods. Immer mehr Menschen scheinen die stetig wachsende Fülle an Rezepten, Küchen, spezifischen Ernährungsweisen, Wissen über gesundheitliche Zusammenhänge und die damit einhergehenden Entscheidungsprozesse nicht als Belastung zu sehen, die es zu eliminieren gilt, sondern als Bereicherung und einen gerade attraktiven Spielplatz individueller Entscheidungen und Abwägungen. Wir sollten Hunger und Appetit also nicht als negative Beeinträchtigung, sondern als Chance für mehr Genuss, Selbstverwirklichung und Gemeinschaftlichkeit in unserem Leben begreifen.



[1] vgl. Ott, Kerstin: Identität geht durch den Magen. Frankfurt: S. Fischer Verlag, 2017. S. 18

[2] vgl. Posner, Roland / Wilk, Nicole M.: Kulinaristik als Kultursemiotik. In: Alois Wierlacher, Regina Bendix (Hg.), Kulinaristik: Forschung, Lehre, Praxis. Berlin: LIT, 2008. S. 25

[3] vgl. Ott 2017: S. 9

[4] vgl. Douglas, Mary: Das Entziffern einer Mahlzeit. In: Kikuko Kashiwagi-Wetzel, Anne-Rose Meyer: Theorien des Essens. Berlin: Suhrkamp, 2017. S. 93

[5] vgl. Reiter, Wolfgang / Rützler, Hanni: Vorwärts zum Ursprung. Gesellschaftliche Megatrends und ihre Auswirkungen auf eine Veränderung unserer Esskulturen. In: Gunther Hirschfelder, Angelika Ploeger, Gesa Schönberger (Hg.): Die Zukunft auf dem Tisch. Wiesbaden: VS Verlag, 2011. S. 77

[6] vgl. Reiter / Rützler 2011: S. 77

[7] vgl. Reiter / Rützler 2011: S. 77

[8] vgl. Ebd.

[9] vgl. Zukunfsinstitut: Die Megatrends.(https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/#12-megatrends) Letzter Zugriff: 30.09.2022

[10] vgl. Posner / Wilk 2008: S. 27

[11] Reiter / Rützler 2011: S. 79

Literaturverzeichnis 

Douglas, Mary: Das Entziffern einer Mahlzeit. In: Kikuko Kashiwagi-Wetzel, Anne-Rose Meyer: Theorien des Essens. Berlin: Suhrkamp, 2017. S. 91-122.

Ott, Kerstin: Identität geht durch den Magen. Frankfurt: S. Fischer Verlag, 2017.

Posner, Roland / Wilk, Nicole M.: Kulinaristik als Kultursemiotik. In: Alois Wierlacher, Regina Bendix (Hg.), Kulinaristik: Forschung, Lehre, Praxis. Berlin: LIT, 2008. S. 19-33.

Reiter, Wolfgang / Rützler, Hanni: Vorwärts zum Ursprung. Gesellschaftliche Megatrends und ihre Auswirkungen auf eine Veränderung unserer Esskulturen. In: Gunther Hirschfelder, Angelika Ploeger, Gesa Schönberger (Hg.): Die Zukunft auf dem Tisch. Wiesbaden: VS Verlag, 2011. S. 77-87.

Zukunfsinstitut: Die Megatrends.(https://www.zukunftsinstitut.de/dossier/megatrends/#12-megatrends) Letzter Zugriff: 30.09.2022

Zurück